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Bin ich denn nicht mehr attraktiv?

■ „Sprechende Tücher“ erzählen Geschichten aus Ostafrika: eine Ausstellung im Übersee-Museum/ Demnächst: Filme und Bilder aus Afrika an diversen Schauplätzen

Die Farben Afrikas werden den Bremer Herbst in diesem Jahr ein wenig zum Leuchten bringen. Zwei Veranstaltungsreihen („Afrikas Frauen melden sich zu Wort“ und „Afrika im Übersee-Museum“) sollen den BremerInnen ganz verschiedene, direkte und indirekte Begegnungen mit Afrika ermöglichen. So wird es in der Villa Ichon eine Ausstellung zu Frauenkunst aus Zimbabwe geben, im Kino 46 ein Filmfestival mit afrikanischen Filmerinnen und das Überseemuseum organisiert im Vorfeld der Erweiterung ihrer Dauerausstellung eine ganze Reihe von Veranstaltungen zum Thema Afrika.

Den Anfang macht jetzt die Ausstellung „Sprechende Tücher – Frauenkleidung der Swahili (Ostafrika)“, die gestern eröffnet wurde. Hinter dem geheimnisvollen Titel verbergen sich bedruckte Baumwolltücher (Kangas), die neben abstrakten und realistischen Mustern immer auch einen Sinnspruch aufweisen. Frauen tragen diese Kangas mit den verschiedensten Knotungen als Wickelrock, Kleid, Morgenmantel oder als Schürze und zwar so, daß der Spruch zu sehen ist. Kangas sind ein Mittel der Kommunikation, mit dem Frauen ihr direktes Umfeld ansprechen. „Mit einem Kanga kann man das sagen, was man sonst nicht ausspricht“, sagt die Ethnosoziologin Elisabeth Linnebuhr, die die Sammlung bei mehreren Forschungsaufenthalten in Kenia zusammengetragen hat.

Die Variationsbreite der Sprüche ist groß und oft nur für die Beteiligten zu verstehen. „Verzeih mir!“ oder „Zwingt mich nicht“ gehören in die einfache Kategorie, aber „Ist Halwa übriggeblieben?“, meint nicht, was es sagt. Es geht nicht um die Süßspeise, sondern um die Mißachtung, die einer jungverheirateten Frau von den Freunden ihres Mannes entgegengebracht wird. Sie stellt damit die Frage: „Findet ihr mich nicht mehr attraktiv?“.

Kangas sind keine afrikanische Erfindung. Sie entstanden eigentlich aus Taschentüchern, die von den Portugiesen nach Ostafrika gebracht wurden. In der Mitte des 19. Jahrhunderts begannen dann modebewußte Frauen auf Sansibar, die Taschentücher zu einem Rechteck zusammenzunähen und dieses als Wickeltuch zu tragen. Ende des Jahrhunderts kamen die ersten „richtigen“ Kangas auf den Markt, bei denen die Aufschriften zum Teil von den Frauen selbst entworfen wurden. Die Swahili-Frauen der Oberschicht waren sehr gebildet, sie dichteten und schrieben. Da Erotik in der Lyrik der Zeit eine wichtige Rolle spielte, spiegelte sich das auch in ihren Kanga-Sprüchen wider. Was auf Sansibar dazu führte, daß Kangas mit anstößigen Texten 1914 verboten wurden.

Heute druckt man die Baumwolltücher auch zu Gedenktagen oder Sportfesten, ähnlich, wie es in den USA von jeder Veranstaltung ein eigenes T-Shirt gibt. Daneben gibt es welche, deren Sprüche jeden Tag Gültigkeit haben, wie zum Beispiel „Wirf die schlechte Laune ins Meer“ und andere, die nur für den Auserwählten gedacht sind - „Lieb mich von Herzen, so kann ich bleiben“.

In der Ausstellung „Sprechende Tücher“ im Übersee-Museum ist leider wenig zu spüren vom lebendigen Umgang mit den Kangas. Auf den relativ kleinformatigen Fotos ist zum einen nicht richtig zu erkennen, wie frau die Kangas trägt und zum anderen wird nicht klar, wo der Spruch zu lesen ist. Damit die Tücher dem Interesse der BesucherInnen nicht zu direkt ausgesetzt sind, baumelt der größte Teil jetzt unter der Decke. Das bringt zwar einerseits Muster und Farben schön zur Geltung, aber anderseits ist das Betrachten der Exponate dadurch etwas mühselig. Die Präsentation erinnert insgesamt an eine Bilderausstellung, zumal auf jeglichen Bezug zum Alltag der Swahili-Frauen verzichtet wurde. Und so ist es fraglich, ob ein solches Ausstellungskonzept den Textilien wirklich angemessen ist. Sicher ist es schön, wenn man Einzelstücken Raum gibt, damit sie ihre Wirkung entfalten können. Aber bei einem Gebrauchsgegenstand möchte man gerne genauer wissen, wie er benutzt und verwendet wird. Gudrun Kaatz

„Sprechende Tücher“ im Übersee-Museum (bis zum 13. November), Öffnungszeiten: Di - So 10-18 Uhr.

Die nächsten Veranstaltungen mit dem Schwerpunkt „Afrika“: „Frauenkunst aus Zimbabwe“, vom 6. bis 15. September in der Villa Ichon; Filmfestival „Filmende Frauen aus Afrika“ vom 6. - 10. Oktober im Kino 46 sowie bei belladonna

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