: Ditmar Staffelt zwischen allen Stühlen
SPD-Kommunalpolitiker wollen Senatsbeschluß zu Landesschulamt kippen / Fraktionschef hat dem Landesamt bereits zugestimmt / Demontiert die SPD ihren Spitzenkandidaten Staffelt? ■ Von Dirk Wildt
Ditmar Staffelt, Landesvorsitzender der SPD und gleichzeitig Chef der Fraktion im Abgeordnetenhaus, ist in einen schwer lösbaren Konflikt geraten. Als Landesvorsitzender hat er unter anderem die Aufgabe, Beschlüsse der Partei durchzusetzen – wie den, daß die SPD grundsätzlich eine Zentralisierung von Bezirksaufgaben ablehnt. Unter anderem hat sich der Landesparteitag Anfang Juni ausdrücklich gegen die Einrichtung eines Landesschulamtes ausgesprochen. Als Fraktionschef wiederum muß Staffelt mit dem Koalitionspartner CDU Kompromisse schließen – und auf der einen Monat später stattfindenden Klausur des Senats zum Doppelhaushalt stimmte er in dieser Funktion dem Landesschulamt zu.
Nun rumort es an der Basis. Die SPD-Bezirksbürgermeister und ihre Stellvertreter machen mobil gegen das Amt, das bereits am 1. Januar 1995 seine Arbeit aufnehmen und angeblich 1,35 Millionen Mark jährlich einsparen soll. Morgen setzen sie sich zusammen, um das weitere Vorgehen abzustimmen. Und schon befürchten manche, es gehe gar nicht um die Frage bezirklicher Strukturen, sondern um Staffelt, der nach den Wahlen im Herbst kommenden Jahres Regierender Bürgermeister werden will. „Wer über Spitzenkandidaten diskutiert“, sagt der Kreisvorsitzende von Charlottenburg, Rudolf Kujath, „der fällt über Staffelt her.“ Vielleicht will er deshalb nicht verraten, wer als Konkurrent im Gespräch ist. Der geschickt lancierte Vorschlag, den scheidenden Daimler-Chef Edzard Reuter zum SPD-Spitzenkandidaten zu machen, sei jedenfalls einer der ersten Schachzüge von Staffelts Gegnern gewesen.
Unter der Hand sind die Kritiker, die dem heutigen Landesvorsitzenden Profillosigkeit und Durchsetzungsschwäche vorwerfen, auch mit Namen aus der Berliner SPD schnell dabei. Zwar macht niemand einen Hehl daraus, daß der Kreuzberger Bürgermeister Peter Strieder sowie Jugendsenator und „nackter“ Bundestagskandidat Thomas Krüger noch nicht reif für den Vorsitz seien, doch ihre beiden Namen sind immer wieder im Gespräch. Neuerdings werden als Konkurrentinnen auch Sozialsenatorin Ingrid Stahmer sowie Arbeitssenatorin Christine Bergmann ins Spiel gebracht.
Der Weddinger Kreisvorsitzende Hans Nisblé hat Mitte des Monats an die Mitglieder des Landesvorstandes, an die Kreisvorsitzenden und die SPD-Bezirksbürgermeister einen sechsseitigen wütenden Brief geschickt, in dem er fragt, „wie weit bestimmte Verantwortliche überhaupt zur Umsetzung der politischen Programmatik ihrer Parteien und Fraktionen geeignet sind“. Der Vorsitzende schimpfte: „Es scheint so weit zu sein, daß wir unser Programm, unsere Wahlziele und ihre erreichte Absicherung in einer Koalitionsvereinbarung – alles Parteitagsbeschlüsse – nicht nur gegen die CDU, sondern auch gegen einige SPD-Vertreter verteidigen und durchsetzen müssen.“ Nisblé drohte mit einem außerordentlichen Landesparteitag, „sollten Landesparteitagsbeschlüsse nicht eingehalten werden“. Daß sich neben seiner Zustimmung Staffelt in einem Senatsprotokoll auch noch verpflichtet habe, das Landesschulamt gegenüber der bis heute ungefragten Fraktion durchzusetzen, sagt Peter Senftleben, Vorsitzender der Reinickendorfer BVV- Fraktion, „halte ich für ungeschickt und unvernünftig“. Er wirft Staffelt darüber hinaus vor, daß er einem verstärkten Personalabbau in der Verwaltung zugestimmt hat, in der von 1992 bis 1997 bereits 25.000 Stellen gestrichen werden. Senftleben verübelt seinem Landeschef, die milliardenschweren Vorhaben Tiergartentunnel und Messeausbau nicht angetastet zu haben. Auch wenn Staffelt auf einem Landesparteitag unmittelbar nach der Heckelmann-Affaire mit über siebzig Prozent bestätigt wurde, bewertet Senftleben Staffelts Umkippen als „gravierenden Fehler“. Doch gehe es, entgegnet der Reinickendorfer dem Charlottenburger Kreisvorsitzenden Kujath, bei dem Streit um das Landesschulamt nicht um den richtigen oder falschen Parteivorsitzenden.
Auch Weddings Bezirksbürgermeister Jörg-Otto Spiller will den Senatsbeschluß revidiert wissen. Es sei ziemlich kühn, ein Amt für 30.000 Lehrer schaffen zu wollen, und völlig unsicher, ob es tatsächlich zu Einsparungen komme. Dennoch lehnt er eine Absetzung Staffelts ab: „Deshalb können nicht gleich alle Beteiligten geköpft werden.“ Senftleben schlägt vor, im Stellenplan der Hauptverwaltung zu sparen. Seinen Angaben nach beschäftigen die Bezirke rund 120 Schulräte, die Senatsschulverwaltung 70 – dort könnte „locker gespart“ werden.
Staffelt, braungebrannt aus seinem Portugalurlaub zurück, bekräftigte gestern, am Landesamt festzuhalten. Er hofft, die Fraktion in der Klausur Anfang kommender Woche von seinen Erfolgen bei den Verhandlungen zum Doppelhaushalt überzeugen zu können: Bei der Polizei werde gespart, die Standards in den Kitas gehalten und die Gewerbesteuer erhöht.
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