: Die Insel in der bürgerlichen Ordnung
Die PDS hat kaum noch Gemeinsamkeiten mit ihren GenossInnen von der Kommunistischen Plattform, aber vor den Bundestagswahlen soll der offene Streit erst mal vermieden werden ■ Von Christoph Seils
Glaubt man Sahra Wagenknecht, dann war die DDR bis 1971 ein Paradies. Sie bot „das Bild eines hoffnungsvollen Staates von enormer Produktivität und Stabilität, von wachsender Ausstrahlungskraft, ungebrochener Zukunftsgewißheit und scheinbar grenzenloser Entwicklungsmöglichkeit“. Doch dann kamen auch in der DDR die Opportunisten und Sozialdemokraten an die Macht und richteten das Land und seine Wirtschaft „geradezu planmäßig“ zugrunde. Sahra Wagenknecht ist das prominenteste Mitglied der Kommunistischen Plattform der PDS (KPF) und müht sich derzeit, Gregor Gysi als TV- Star der PDS den Rang abzulaufen. Journalisten stehen Schlange bei der 25jährigen, scheint sie doch der lebendige Beweis für die Erneuerungsfähigkeit der PDS zu sein.
Komische Bündnispolitik: Während die KPF öffentlichkeitswirksam den „Reformismus“ und „Antikommunismus“ der PDS geißeln kann, haben die JournalistInnen einfaches Spiel, ohne Kenntnisse und ohne Recherche die PDS zum Feindbild aufzubauen. Selbst auf die Klassenfeinde des Verfassungsschutzes berufen sich die Kommunisten in der PDS, um ihre Bedeutung zu unterstreichen. „Fragen Sie doch den Verfassungsschutz“, kontern sie die Bitte, über die Mitgliederzahl Auskunft zu geben.
Der sächsische Verfassungsschutz spricht von fünftausend Mitgliedern. Die KPF sei „eine der stärksten politischen Strömungen innerhalb der PDS“. Doch damit ist der Einfluß der KPF maßlos übertrieben. Real hat die KPF eher um die tausend Mitglieder, aktiv sind davon vermutlich nicht einmal hundert. Von wegen „Kaderorganisation“.
Über nichts wird in der PDS leidenschaftlicher diskutiert als über die KPF. Standen bis zu den Europawahlen die Wetten gut, daß sich der trennende Streit noch vor den Bundestagswahlen ereignet, ist derzeit Stillhalten angesagt.
Ende Mai debattierten der Parteivorstand der PDS und Vertreter der KPF mehr als vier Stunden miteinander, um nach Gemeinsamkeiten zu suchen und Konflikte zu thematisieren. „Wichtig war vor allem, daß sie stattgefunden hat“, umschrieb der Protokollführer diplomatisch die Tatsache, daß während der Diskussion Gemeinsamkeiten nicht entdeckt werden konnten. Die KPF bilde eine „Partei in der Partei“, warf Bundesgeschäftsführer Martin Harnack den Genossen vor, sie verzichte nicht wie die PDS auf die Avantgarderolle. Sie wolle den Kapitalismus überwinden, während die PDS längst übereingekommen sei, daß eine demokratisch-sozialistische Gesellschaft „nur auf den gemeinsamen Anstrengungen unterschiedlicher sozialer und politischer Kräfte“ basieren könne. „Wir meinen, die kommunistischen Traditionen und Werte haben es verdient, verteidigt zu werden“, konterte Thomas Hecker als Sprecher der KPF. Dazu gehöre es, „auf der Basis revolutionärer Theorie zu handeln“.
Eine Mehrheit für eine Trennung von der KPF ist in der PDS derzeit nicht in Sicht – teils aus wahltaktischen Gründen, teils aus der Überzeugung, daß in der PDS alle eine Heimat finden sollten, die, so Hans Modrow, „Alternativen gegen den Kapitalismus“ vertreten.
Dennoch ist es für manche Genossen schwer zu ertragen, daß von Mitgliedern der Partei die „stalinistischen Verbrechen geleugnet oder verharmlost werden“. In den Kommunen und Landtagen will man praktische Politik machen und nicht darüber streiten, „ob die sozialistische Gesellschaft in fünfzig oder dreihundert Jahren kommt“.
Zwar vergrault die KPF im Osten keine Wähler, aber als ständige Vertretung der DKP in der PDS macht sie die Partei für Wessis unattraktiv. Um als moderne sozialistische Partei im Westen Wähler zu gewinnen, muß sie sich vom Mief der K-Gruppen-Reste befreien. So bleibt die PDS um Abgrenzung von der KPF bemüht, von mehr als einer Duldung der KPF kann kaum noch gesprochen werden. Je mehr die PDS jedoch an der Macht schnuppert und Regierungen zumindest toleriert, desto größer wird der Druck, sich endgültig von den „bornierten Genossen“ zu trennen. Denn während die PDS unaufhaltsam auf dem Weg ist, ihren Platz in der „bürgerlichen Ordnung“ zu finden, beharren die KPF-Leute darauf, genau diese „überwinden“ zu wollen. Spötter sprechen davon, die PDS würde sich die KPF nur halten, um sich tagtäglich die eigene Wandlungsfähigkeit vor Augen zu halten.
Allerdings ist selbst in der KPF der „Dogmatismus“ von Sahra Wagenknecht nicht unumstritten. Kritisiert wird sie, die das Paradies DDR nie selbst erlebt hat, aber öffentlich nicht. Dies liege, unkt man in der Parteizentrale, möglicherweise daran, daß sie die alten Genossen allein durch ihr schmales Gesicht und die schwarzen hochgesteckten Haare an die junge Rosa Luxemburg erinnere.
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