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Autofahrer verwirrt

■ Razzia wegen Sachbeschädigung, weil ein Brunsbütteler Plakate klebte

Wenn es um Aktionen gegen das Atomprogramm geht, arbeiten Polizei und Justiz in der Atomkraftwerks-Frontstadt Itzehoe auf Hochtouren. Weil er 16 Plakate geklebt hatte, stürmte die Polizei am Dienstag die Wohnung von Andreas P. in Brünsbüttel.

Als Atomkraftgegner wollte Andreas P. den Widerstand gegen die Inbetriebnahme des atomaren Zwischenlagers in Gorleben unterstützen. So klebte er am Montagabend zwischen Wilster und Brunsbüttel gelbe Anti-Atom-Plakate auf die Ortsanfangsschilder: „Gorleben ist überall – der Castor kommt – wir stellen uns quer.“

Was in Hamburg höchstens als Ordnungswidrigkeit geahndet wird, setzte im Landkreis Steinburg die gesamte Polizeimaschinerie in Bewegung. Zeugenvernehmungen führten zu Andreas P. Der Staatsschutz beantragte unverzüglich einen Hausdurchsuchungsbefehl, den das Amtsgericht auch prompt ausstellte. Die merkwürde Begründung: Die Aktion diene dem Auffinden von „Beutegut“. Bereits Stunden nach der Klebeaktion brachen Feuerwehrleute im Auftrage des Staatsschutzes die Wohnung in Abwesenheit von Andreas P. auf und durchsuchten das Domizil, um „Beutegut“ – sprich: Plakate – sicherzustellen.

Gegenüber der taz äußerte sich P. verwundert über die Polizeiaktion und deren Begründung: „Beutegut? – ich hab doch keinen Einbruch begangen.“ Die Itzehoer Polizei findet die Aktion hingegen in Ordnung. Sachbearbeiter Horst Klüver: „Es hat eine Sachbeschädigung vorgelegen und das ist eine Straftat.“ Zudem sei durch das Überkleben der Ortsschilder eine „Verkehrsgefährdung“ eingetreten. Klüver: „Ein Autofahrer war durch das Schild so verwirrt worden, daß er mit den Gedanken ganz woanders war und beinahe einen Fahrradfahrer umgefahren hat.“

Das alles rechtfertigt eine Hausdurchsuchung? Kai von Appen

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