: Verzögerungstaktik beim Landesschulamt
■ Umstrittenes Amt wird zunehmend zum Konflikt in SPD und Senatskoalition / SPD-Bürgermeister strikt ablehnend
Ditmar Staffelt kam mit Verstärkung: Auf dem gestrigen regelmäßigen Treffen der SPD-Bezirksbürgermeister und ihrer Stellvertreter standen ihm Jugendsenator Thomas Krüger und Jürgen Lüdtke, haushaltspolitischer Sprecher der Fraktion, zur Seite. Dreieinhalb Stunden dauerte die Sitzung mit rund dreißig Teilnehmern im Rathaus Schöneberg, auf der sich der SPD-Landes- und Fraktionsvorsitzende rechtfertigen mußte, weil er auf der Senatsklausur zum Doppelhaushalt 95/96 dem Landesschulamt zugestimmt hat. In den vergangenen Tagen ist Staffelt aus den eigenen Reihen scharf angegriffen worden, weil er die Verwaltungsreform konterkariere, mit der die Kompetenzen der Bezirke gestärkt werden sollen. Sollte Staffelt gestern beabsichtigt haben, die Kommunalpolitiker auf Kurs zu bringen, wäre er kläglich gescheitert. Wie der Vorsitzende der Runde, Weddings Bürgermeister Jörg-Otto Spiller, der taz berichtete, lehnen die Bezirkspolitiker das Landesamt nicht nur weiterhin ab. Es wurde auch eine aus zwei Bürgermeistern und drei Volksbildungsstadträten bestehende Arbeitsgruppe gegründet, die Gegenvorschläge vorlegen soll. Ihre Absicht: Mit der Reduzierung von Oberschulräten in Hauptverwaltung und Bezirksämtern könnte derselbe Betrag eingespart werden wie angeblich mit dem Personalabbau durch ein Landesschulamt – elf Millionen Mark. Auch der Wechsel von Lehrern innerhalb der Bezirke soll vereinfacht werden.
Während die Bezirksrunde die Offensive vorbereitete, versuchte Staffelt sich mit einem fragwürdigen Manöver aus der Affaire zu ziehen. Nach außen hin – also vor allem dem Koalitionspartner CDU gegenüber – steht er zwar weiterhin zu dem Landesschulamt. „Staffelt hat mir gegenüber versichert, daß wir die Entscheidungen zum Doppelhaushalt gemeinsam getroffen haben und dafür kämpfen werden“, betonte gestern ein über den SPD-internen Streit sichtlich erfreuter Regierender Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU). Der SPD-Fraktionschef und Landesvorsitzende deutete dagegen an, daß er die für den 1. Januar kommenden Jahres geplante Gründung des Amtes verzögern will: Schulsenator Jürgen Klemann (CDU) habe erst einmal den „Nachweis“ zu erbringen, daß das Amt realisierbar sei und Geld spare. Er erinnerte daran, daß die vor anderthalb Jahren geführte Debatte um eine Stunde Mehrarbeit für Lehrer sich ebenfalls über Monate „hingezogen“ habe. Beim Schulamt gebe es noch eine Vielzahl von Details zu klären.
Als nächstes steht Staffelt nun die Klausur seiner Fraktion am Wochenanfang bevor. Hier setzt der Landeschef auf Konfliktvermeidung: Einen Beschluß zum Landesamt – ob dafür oder dagegen – will er vermeiden. Der sei gar nicht nötig, meinte der Fraktionschef, dem Amt würde schließlich am Ende der Haushaltsberatungen im November zugestimmt werden.
Amtshilfe von der Unternehmensberatung
Damit das Amt am 1. Januar seine Arbeit aufnehmen kann, muß das Abgeordnetenhaus noch im September verschiedene Gesetze ändern, teilte gestern Schulsenator Klemann mit. Zur Unterstützung hat die Schulverwaltung für 100.000 Mark die Unternehmensberatungsgesellschaft Kienbaum aus Nordrhein-Westfalen engagiert. Klemann konkretisierte gestern die Aufgaben des zentralen Amts. Mit dem Landesschulamt sollen „Ressourcen“ gerecht verteilt und bürokratische Hürden abgebaut werden. Künftig würden Lehrer wieder dorthin gehen, wo die Schüler sind, und nicht umgekehrt. Neu einzustellende Lehrer könnten sich – statt wie bisher in den einzelnen Bezirken – zentral bewerben. Die Doppelzuständigkeit bei Bezirken und Senat könnte abgebaut und im kommenden Jahr von den rund 140 senatseigenen und bezirklichen Schulräten ein Viertel eingespart werden. Zusammen mit Kürzungen bei den Sachmitteln ließen sich elf Millionen Mark sparen. Und weil die Schulen künftig einen Teil der Mittel direkt zugewiesen bekommen sollen, würde zudem ihre Eigenverantwortlichkeit gestärkt.
Dirk Wildt / Michaela Eck
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