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Kasse legt Pro Familia Freiburg trocken

Müssen Patientinnen demnächst für Schwangerschaftsberatungen selbst zahlen? / Kassenärztliche Zulassung zurückgezogen / Begründung: Es gibt genügend Frauenärzte  ■ Von Sonja Schock

Berlin (taz) – Für die Schwangerschaftsberatung in der Freiburger Pro-Familia-Beratungsstelle werden demnächst wohl Rechnungen ausgestellt. Was bisher die Krankenkasse bezahlt hat, sollen zukünftig die Ratsuchenden selbst berappen.

Das betrifft nicht nur die gesetzlich vorgeschriebene Schwangerschaftsberatung. Der Rest des mit der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) vereinbarten Leistungskataloges ist ebenfalls gestrichen worden. Auch für die allgemeine Sexualberatung, die Sterilisationsberatung und Diaphragmaanpassung bekommen die beiden ÄrztInnen von Pro Familia zur Zeit keine müde Mark von den Kassen. Denn die KV Südbaden hat ihnen eine Verlängerung der kassenärztlichen Zulassung verweigert.

Das hat zur Konsequenz, daß die Ärztinnen ihre Beratungsgespräche nicht mehr über die Krankenkassen abrechnen können. Diese Maßnahme ist bis jetzt bundesweit einmalig, wird aber in Zukunft zumindest in Baden-Württemberg auch weitere Beratungsstellen treffen. Denn, so die Pressesprecherin der KV Südbaden, Elizabeth Hauenstein: „Langfristig muß es unser Ziel sein, daß die niedergelassenen ÄrztInnen die Beratungsleistungen komplett übernehmen.“

In Freiburg sei der Bedarf mit 12 Frauenärztinnen ausreichend gedeckt, so daß das Pro-Familia-Beratungsangebot dort überflüssig geworden sei. Dieser Argumentation kann der Vorsitzende der Freiburger Beratungsstelle, Peter Hübner, nicht folgen. Schließlich würden gerade Beratungsleistungen mit Sätzen zwischen 7,50 und 25 Mark pro Gespräch extrem schlecht bezahlt. „Wenn niedergelassene ÄrztInnen regelmäßig Beratungen für 12,50 Mark die Stunde machen müßten, wären sie bald pleite“, argumentiert er. Das Angebot von Pro Familia sei deshalb als Ergänzung zu den Leistungen der Ärzte zu sehen.

Hauenstein räumt ein, daß Beratungsgespräche ökonomisch tatsächlich nicht attraktiv seien. „Wenn ich in meiner Praxis solche Gespräche führe, zahle ich auf jeden Fall drauf“, berichtet die KV- Sprecherin, die zudem eine Praxis für Allgemeinmedizin betreibt.

Da Beratungsleistungen nicht nach Länge, sondern pauschal abgegolten werden, ist die Gesamtsumme, die die beiden Ärztinnen der Freiburger Beratungsstelle jährlich über die Kassen abrechnen können, entsprechend niedrig. Im Geschäftsjahr 1993 betrug diese magere 8.000 Mark. Doch offenbar steht die KV Südbaden auf dem Standpunkt, daß Kleinvieh auch Mist macht. In ihrer Begründung zur Aberkennung der Kassenzulassung heißt es: „Alle zu Unrecht vergüteten Honorare führen zu einer Schmälerung des zur Verfügung stehenden Gesamthonorarvolumens aller Ärzte.“ Eine solche Schmälerung sei, so Hauenstein, nach der Gesundheitsreform geradezu gesetzwidrig. „Wir sind nach dem Buchstaben des Gesetzes verpflichtet, zu prüfen, ob der Bedarf gedeckt ist“, erklärt sie das Vorgehen der KV. Jürgen Dreher, Pressesprecher der Baden-Württembergischen Ärztekammer, teilt diesen Standpunkt. „Die Politik hat diese Vorgaben gemacht“, sagt er, und vor allem in Südbaden gebe es nun einmal eine „Übervölkerung mit Ärzten“.

Ob gerade die Pro-Familia Beratungsstelle dran glauben muß, wird letztendlich vor dem Kadi entschieden werden. Denn obwohl in den Beratungsstellen, deren Mitarbeiterinnen überhaupt über die Kassen abrechnen können, diese Gelder nur einen Bruchteil des Gesamtetats ausmachen, ist Pro Familia nicht bereit, kampflos darauf zu verzichten. Die Freiburger Beratungsstelle hat beim Sozialgericht Klage eingereicht.

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