: Ein frischer Wind auf Bremens Tanzparkett
■ Das neue „Tanzwerk“ will die freie Szene puschen, und zwar mit Kursen, Workshops und Premieren
Der Tanz in Bremen soll verbraucherInnenfreundlicher werden. „Es war wunderschön, aber ich habe nichts verstanden...“ – sagte sich schon so oft so manche ZuschauerIn nach einer tollen Performance, ging nach Hause und blieb weg. Das neue Bremer Tanzwerk kehrt den Spieß um und lädt alsbald die Tanzverzagten zur oben zitierten Lecture. Tanzwerk möchte den Tanz und die Tanzkunst in Bremen künftig „transparenter, populärer, spaßiger“ machen.
Tanzwerk e.V., das ist die neue Tanzstation im Kulturzentrum Lagerhaus, die ab September die freie Bremer Tanzszene erfrischen will. Tanzwerk löst das Mobilé ab, das sich in seinen zehn Jahren Existenz etwas leergetänzelt hatte. Zwar greift Tanzwerk nun die Kurs- und Workshopidee des Mobilé auf und bietet Neue Tanz-Techniken, Capoeira oder Straßensamba zum Mitmachen an, will aber die Leute „nicht nur sich bewegen, sondern auch einfach gucken lassen.“ Und zwar fruchtbringend mit Lust auf noch mehr Ungewohntes. Zum Beispiel über die Performance Safer Fall mit Tanz am Seil und BergsteigerInnen, die im Herbst gezeigt wird.
Eine ganze Reihe Bremer TänzerInnen wird da im Lagerhaus-Glaskasten Bungee-jumpen und an rostigen Metallstreben entlangschweben. BremerInnen, die „nicht so wahnsinnig berühmt sind, die wir aus dem Tanz-Schattenbereich hervorholen“, wie Monika Kunstwald vom Tanzwerk sagt. „Die subventionierte Hochkultur können wir ja sowieso nicht bringen.“ Also möchte Tanzwerk aus dem Pool der freien Bremer Tanzszene schöpfen, „den es ja gibt.“ Nur: auseinandergefallen ist er in letzter Zeit. Das Freiraum-Theater ist als Aufführungsort weggekippt, es gibt nur selten kleine Versuche (wie jüngst vom Jungen Theater), auch Gastspiele zu präsentieren. Ansonsten aber macht regelmäßig irgendjemand irgendwann irgendwas.
Das Tanzwerk als künftige Bremer Tanzzentrale, ja das könnten sich die Neuen gut vorstellen, trauen sich vielleicht schon an ein Symposium zu denken. Aber das ist noch weit, weit weg. Erst muß mal abgecheckt werden, wo und wie sich alle finden und inspirieren könnten. Denn auch in Bremen könne man sich den Motivierungs-Kick holen, meint Monika Kunstwald, diesmal als Tänzerin. Im Austausch mit LehrerInnen etwa, oder in der bereits angeleierten Zusammenarbeit mit dem Kontorhaus und dem Bewegungshaus Impuls. In der Tanzwerk-Vision sieht das so aus, daß die Bremer Sängerin Sabine Mariß etwa das stimmstarke, der Martial Dancer Hillel Krauss dagegen das Aikido-beisterte Tanzpublikum mit ins Lagerhaus bringen und dort die Räume anfüllen.
Dann darf aber ruhig auch mal gemeinsam über Bremen hinausgeblickt und nach Hamburg zu Kampnagel exkursiert werden. Zum neuen Stück der Choreografin Muriel Bader, Werkstattgespräch inklusive. „Natürlich denken auch wir immer noch, wow!, die in Hamburg oder Berlin, da gibt's einiges abzugucken! Aber die backen doch auch mit den gleichen Zutaten wie wir.“ Das heißt nun aber nicht, daß die Frauen vom Tanzwerk nicht gerne auch in Bremen so „'ne große Torte“ wie Kampnagel hätten. „Wir haben hier ja auf unserer Lagerhausetage keine richtige Bühne, können also auch keine größeren Ensembles aufnehmen“, sagt Organisatorin Petra Thielebein. „Wo sollen wir hin? Klar könnten wir vielleicht noch das Concordia mieten, für knapp tausend Mark... Das ist für uns viel zu teuer.“
Vielleicht wird ja Susanne Linke künftig das Concordia oder sogar das Theater am Goetheplatz für die freien TänzerInnen aufmachen. Mit leiser Vorfreude erwarten die Tanzwerklerinnen die Kresnik-Nachfolgerin. „Sie kommt neu hierher, sie interessiert uns mehr als Kresnik, und das ist die Chance für die Szene“, meint Petra Thielebein. Ein gemeinsames Projekt zum Beispiel wäre chic. Dafür müßte jedoch Susanne Linke in ihren Etattopf greifen – das Tanzwerk hält sich vorerst zuschußlos mit BSHG-19- und Lagerhausstellen leidlich auf dem Parkett. Silvia Plahl
Info zum neuen Tanzwerkprogramm über Tel. 76228. Die erste Premiere ist am 9.9. mit dem Stück „Rosen fangen – anfangen“
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