: Neue Spielwiesen für die Bundeswehr
■ Russische Streitkräfte übergaben Berliner Garnison an Bundesfinanzminister
Die Westgruppe der russischen Streitkräfte (WGT) hat gestern die Liegenschaft der Berliner Garnison an Bundesfinanzminister Theo Waigel (CSU) übergeben. Damit ging eine der letzten Liegenschaften, die die WGT teilweise seit 49 Jahren in Ostdeutschland nutzte, an den Bund über. Bei der feierlichen Übergabe der Garnison in Köpenick wies Waigel darauf hin, daß der am kommenden Mittwoch beendete Abzug der russischen Streitkräfte von der Bundesregierung mit über 14 Milliarden Mark unterstützt wird. Davon sind 8,35 Milliarden Mark für den Bau von Wohnungen in Rußland sowie für die Errichtung von Fabriken bestimmt, die Material für den Wohnungsbau produzieren sollen. Insgesamt sollen über 45.000 Wohnungen für die heimkehrenden Soldaten gebaut werden.
Der Bund hat ingesamt über 1.000 militärisch genutzte Liegenschaften der WGT im Umfang von über 240.000 Hektar übernommen. Das entspricht der Fläche des Saarlandes. Das größte Problem bei der künftigen Nutzung stellt die Verseuchung des Geländes dar. Die Sanierung dieser Flächen, die durch Mineralöl, schadstoffhaltigen Schrott und Munition belastet sind, kostet nach Schätzungen des Bundesumweltministeriums 25 Milliarden Mark. Zu den attraktivsten Objekten zählen die rund 70.000 Wohnungen der ehemals sowjetischen Streitkräfte, die die Kommunen zum Teil bereits vom Bund oder den Ländern zur sehr günstigen Konditionen erworben haben. Allerdings sind die Sanierungskosten entsprechend hoch.
Nach Angaben Waigels sollen 53.000 Hektar der WGT-Liegenschaften vom Bund selbst genutzt werden, vor allem für die Bundeswehr. Der Rest wurde den neuen Bundesländern als Geschenk angeboten. Wegen der zahlreichen Altlasten auf den Liegenschaften haben allerdings nur Brandenburg, Sachsen und Thüringen von dem Angebot Gebrauch gemacht. Sie vereinbarten nach langen Verhandlungen, daß sie die am stärksten verseuchten Flächen wieder an den Bund zurückgeben können, maximal jedoch 0,66 Prozent der gesamten übernommenen Fläche. Brandenburg, das mit 93.000 Hektar die meisten Liegenschaften übernahm, darf sogar 0,8 Prozent wieder abgeben. Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern einigten sich dagegen mit Bonn darauf, wertvolle innerstädtische Liegenschaften verbilligt zu erwerben.
Bei der Auswertung von rund 900 der russischen Liegenschaften wurden nach Angaben des Bonner Umweltministeriums im vergangenen Jahr 20.000 Flächen als mutmaßliche Altlasten eingestuft. Zu den am stärksten verschmutzten Flächen zählen Truppenübungsplätze, Flugplätze, Garnisonen und Tanklager. Trotz dieser Umweltbelastungen rechnet Brandenburg jedoch damit, daß ein Teil der Flächen später als Naturschutzgebiet ausgewiesen werden kann. Dafür macht sich unter anderem der Naturschutzbund Deutschland (NABU) stark. „Gerade Truppenübungsplätze gehören zu den letzten großen unzerschnittenen Naturräumen in Mitteleuropa, die man der Natur zurückgeben könnte“, erklärte NABU-Sprecher Michael Schroeren.
Bis zum kommenden Mittwoch, wenn die WGT im Beisein des Präsidenten der Russischen Föderation, Boris Jelzin, verabschiedet wird, werden sich noch etwa 2.100 russische Soldaten in den Standorten in Wünsdorf, Frankfurt/ Oder, Sperenberg und Berlin aufhalten. Die letzte noch in Berlin verbliebene WGT-Brigade wird am 1. September per Bahn nach Moskau abfahren. AFP
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