: „Das werden Sie nie wieder los“
■ Interview mit Gerhard Niemann vom „Selbsthilfeverein für Elektrosensible“ in München / Macht Strom krank?
taz: Nach einem Gutachten des TÜV Bayern/Sachsen und der Dasa über die Belastung der Bevölkerung durch Elektrosmog schließt das bayerische Umweltministerium Gesundheitsschäden nicht mehr aus. Sie vertreten Elektrosensible. Worunter leiden diese Menschen?
Gerhard Niemann: Unter Schlafstörungen, Verkrampfungen beim Aufwachen, Gedächtnisstörungen, Nervosität, Müdigkeit. Dazu kommen vereinzelt Herzrythmusstörungen, Atembeschwerden, Depressionen. Die Empfindlichkeit tritt meist mit anderen Belastungen auf.
Welche sind das?
Vor allem Allergien, Schwermetalle und Chemiegifte.
Wie viele Menschen leiden unter Elektrosensibilität?
Ich schätze, daß in Deutschland ein Prozent der Bevölkerung damit zu tun hat, also 800.000 Personen, meistens, ohne es zu wissen. Denn die Ärzte wissen auch nichts.
Was sind die Ursachen?
Hohe Belastungen treten unter Hochspannungsmasten und neben Transformatorstationen auf oder wenn ein Leitungskabel dicht am Haus vorbeigeführt wird. Dazu kommen die elektrischen Geräte im Haushalt. Nicht nur der Computer-Bildschirm, sondern auch die Beleuchtung oder der Kopierer. Treten dann noch Holzschutzmittel oder Lösemittelausdünstungen auf, erwischt es die Leute.
Wie kann man sich dem Elektrosmog entziehen?
Das Einfachste ist, einfach die Geräte auszuschalten. Geht das nicht, sollte man zu Hause Elektrogeräte aus dem Schlafzimmer schaffen und auch sonst reduzieren. Nachts kann man den Strom abstellen.
Und bei Hochspannungsmasten?
Das ist schwierig, weil das magnetische Feld kaum abzuschirmen ist. In schweren Fällen raten wir den Leuten umzuziehen. Beeinflussen sollte man auch die anderen Belastungen, zum Beispiel gegen die Allergie vorgehen.
Ist die Sensibilität heilbar?
Nein. Eine Linderung ist möglich, mehr nicht. Ist die Sensibilisierung erst eingetreten, werden Sie die nicht wieder los.
In das TÜV/Dasa-Gutachten sind auf Anregung des bayerischen Umweltministeriums Ihre Erfahrungen mit eingeflossen. Wie lief die Zusammenarbeit?
Das war enttäuschend. Die Mitarbeit beschränkte sich auf das Ausfüllen eines Fragebogens und ein zweieinhalbstündiges Gespräch – kurz vor Fertigstellung des Gutachtens. Der TÜV wußte gar nichts von der Zusammenarbeit.
Gibt es noch Kontakte zum Umweltministerium?
Nein. Interview: Lorenz Redicker
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