: Österreich: Die erste Spur verlief im Sand
■ Polizist bei Bombenanschlag gegen deutsch-slowenische Schule verstümmelt / Zweisprachiger Unterricht in Klagenfurter Schule war von Eltern erkämpft worden
Berlin/Klagenfurt (taz) – Waren es Rechtsextreme, mediengeile Trittbrettfahrer terroristischer Aktionen oder „nur“ Geisteskranke, die am Mittwoch eine Rohrbombe in der Klagenfurter Karl-Renner- Schule gelegt hatten? Österreichs Polizei zumindest tappt weiter im dunkeln, nachdem sich eine als „heiß“ angekündigte Spur gestern als „Ente“ erwies. Ein Pkw, der an der italienisch-österreichischen Grenze gefunden worden war, gehört nach Angaben aus Wien einem Häftling auf Knasturlaub, dessen als „panisch“ beschriebene Flucht der Tatsache geschuldet war, daß Freigängern Grenzübertritte grundsätzlich verboten sind.
In der Nacht auf Mittwoch war die fünf Kilogramm schwere Rohrbombe in der Schule entdeckt und zur Untersuchung auf den Flughafen gebracht worden. Dort explodierte der Sprengkörper in einem Gerät zur Untersuchung von Gepäck. Dem 40jährigen Polizei- Sprengstoffexperten Theodor Kelz wurden beide Hände abgerissen, zudem drangen Splitter in beide Augen. Beide Unterarme mußten amputiert werden, eines der Augen ist nach Angaben der Ärzte vermutlich nicht mehr zu retten. Ein weiterer Polizeibeamter wurde von der Wucht der Detonation gegen eine Glaswand geschleudert und ebenfalls schwer verletzt, ein dritter erlitt ein Schalltrauma und einen Gehörsturz. Seitdem kündigten anonyme Anrufer weitere Anschläge an.
Mit dem zweisprachigen Regelunterricht an der Karl-Renner- Schule war erst vor zwei Jahren begonnen worden. Zuvor hatte eine Elterninitiative ein entsprechendes Urteil des Verfassungsgerichtshofs erzwungen. Rund jeder zehnte der 560.000 Einwohner des südöstlichsten österreichischen Landes spricht Slowenisch als Muttersprache.
Bereits im November letzten Jahres war es in der Alpenrepublik zu einer Serie von Briefbombenanschlägen gekommen, bei denen unter anderem die aus Kroatien stammende ORF-Mitarbeiterin Silvana Meixner verletzt wurde. Die Moderatorin betreut das ausländerpolitisch engagierte Wochenmagazin „Heimat, fremde Heimat“. Ein weiteres Anschlagsopfer war der Wiener Bürgermeister Helmut Zilk, dem mehrere Finger seiner linken Hand amputiert werden mußten. Der populäre Sozialdemokrat hatte sich intensiv für die jüdische Gemeinde eingesetzt.
Ob ein Zusammenhang zwischen der Klagenfurter Bombe und diesen Anschlägen besteht, bleibt offen. Die nach der Explosion verhängte Nachrichtensperre war gestern nachmittag nach wie vor in Kraft. Die Öffentlichkeit zwischen Salzburg und Graz ist derweil offensichtlich schockiert: Etwas Derartiges sei in Kärnten seit den „unglückseligen Sprengstoffattentaten im Zug des Ortstafelstreites in den frühen 70er Jahren“ nicht mehr passiert, kommentierte Samo Kobenter, selbst Mitglied der slowenischen Minderheit im südöstlichsten Bundesland der Alpenrepublik im Wiener Standard. Nach Ansicht des Redakteurs bietet der Anschlag auf die Karl-Renner-Schule immerhin die Chance, ein deutliches Zeichen gegen den Rechtsextremismus zu setzen. Wenn im Herbst in Österreich gewählt wird, sollte „keine Partei etwas ernten, der auch nur der geringste Geruch von Sympathie für rechtsextreme Gesinnungstäter anhaftet“. Rüdiger Rossig
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