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Wo Wagner auf Roboter trifft

■ Thomas Albert über das „Bremer Musikfest“ und die Kreuzungsversuche in der Konzertszene

Nicht nur mit großen Namen, sondern mit seltsamen Orten lockt das fünfte Bremer Musikfest sein Publikum. Thomas Albert, Kopf und Herz des Unternehmens, erläuterte im Gespräch, warum Klassik in der Werkshalle besonders gut kommt.

Das Konzert als „Ereignisprogramm“ steht im Zentrum des Bremer Musikfestes. Reicht es dem Publikum und den Veranstaltern nicht mehr, einfach gute Musik zu hören?

Thomas Albert: Ich glaube, daß sich das nicht ausschließen muß. Natürlich trägt dieser Ereignischarakter aber auch all dem Rechnung, was uns die heutige Medienwelt so um die Ohren haut. Da hat es die ausführende Kunst in allen Bereichen schwer, gegen dieses Behämmern durch visuelle und akustische Einflüsse, wo die Sachen ja perfekt gebracht werden, anzukommen. Und da ist dieser Erlebnischarakter, wo das Publikum in einen größeren Zusammenhang einbezogen wird, natürlich ein wichtiges Mittel. Also nicht nur das Programm Schwarz auf Weiß, sondern eine besondere Räumlichkeit oder die Rekonstruktion des historischen Rahmens der Musik. Ein Beispiel ist die „musikalische Vesper“ auf dem Musikfest; da versuchen wir uns vorzustellen: Wie ist ein bestimmtes Konzert in Venedig denn gewesen?

Was gewinnt denn ein Musikwerk Wagners, wenn es in der Werkshalle beim Mercedes-Brenz in Bremen aufgeführt wird?

Sowas sind keine konzeptionellen Sperenzchen. Was uns daran gereizt hat, ist der Kontrast: Die Hi-Tech-Roboterkonstruktion in der Halle 9, wo die halbmontierten Autos auf fahrbaren Bühnen rumlaufen, und ein quasi hochromantisches Naturprogramm, etwas Lyrisches dagegenzusetzen. Das sind Spannungsmomente, die für das Publikum Ereignischarakter haben.

Trägt man damit nicht auch dem Bedürfnis eines eher intellektuellen Publikums Rechnung, das beim klassischen Musikgenuß auch gern noch den Schweiß der Fabrikproduktion schnuppern möchte, um damit zu kokettieren?

Ich glaube, daß das Kokettieren nicht im Vordergrund steht. Rechnung tragen wir allerdings der Tatsache, daß für manche Leute der Gang in den Konzertsaal, wenn er so verkommen ist wie die Bremer Glocke, natürlich schwierig ist, wo sich eher der Mief des 19. Jahrhunderts widerspiegelt. Ich glaube aber darüber hinaus, daß wir beim Musikfest nicht nur ein intellektuelles Publikum ansprechen. Der normale Hörer, der ein bestimmtes musikalisches Erlebnis sucht, hat es doch gern, wenn er noch ein bißchen was dazu bekommt. Da kriegen wir positive Rückmeldungen gerade von Leuten, die sagen: Ich gehe sonst nur in den Petri-Dom, weil man da in Bremen hingeht, wenn einem mal nach geistlicher Musik zumute ist. Aber beim Musikfest schätzen sie, daß diese Musik mal in einen anderen, zum Beispiel historischen Zusammenhang gestellt wird. Da ist das Konzertereignis natürlich eine Einstiegshilfe für Otto Normalverbraucher. Dabei versuchen wir aber, nicht geschmäcklerisch zu sein – also: Technomusik in einer Raketenfabrikhalle. Wir bringen die Sachen eher im Kontrast.

Dazu gehören ja auch die „Crossover“-Versuche der letzten Musikfeste. Aber warum muß denn Sabine Meyer sich auf einmal am etwas hausbackenen Bigband-Jazz von Benny Goodman versuchen?

Das ist eine Idee, die sie selbst entwickelt hat. Sabine Meyer sagt einfach, daß die Klarinette auch ein Instrument unsreres Jahrhundertes ist und nicht nur die Farbe in Mozarts wunderschönem Klarinettenkonzert oder ein Instrument für Kammerkonzerte. Und sie hat natürlich Vorbild-Funktion. Da wird dieses Konzert sicher ein Signal setzen, daß sich auch die Klassiker mit dieser Musik auseinandersetzen müssen. Das ist einfach wichtig, um auch dem immer noch vorhandenen Konservatoriumsmief etwas entgegenzusetzen. Ich glaube, daß die musikalische Ausbildung hier, vom Kleinkind angefangen, dem breiten musikalischen Spektrum viel, viel mehr Rechnung tragen muß. Und da haben Musiker wie Sabine Meyer eine wichtige Rolle. Musiker wie sie oder der Pianist Leonid Chizhik, der demnächst in Bremerhaven spielt – die können einfach alles und die wagen diesen Schritt; die merken, das denen die Jacke zu eng ist, die sie mal auf dem Konservatorium angepaßt bekommen haben. Und ich finde, man muß Hörer ermutigen, sich sowas anzuhören. Und das auch von den Künstlern verlangen. Denn sonst sind Musiker nur Reproduzierende.

Das Musikfest ist auch ein „Festival der Sponsoren“, wie es in ihrer Pressemitteilung heißt. Haben die Firmen irgendeinen Einfluß auf den Programminhalt?

Da kann ich kategorisch „Nein“ sagen. Was ich dazu sagen möchte ist, daß ich sehr froh bin, daß sich hier seit 1991 überhaupt ein Sponsorenverständis für Kultur entwickelt hat, mit einem mäzenatischen Engagement...

Mäzene arbeiten ja eigentlich anders, die halten sich doch etwas mehr im Hintergrund...

Da gucken Sie sich unsere Sponsoren doch mal an, wie die sich zurückhalten! Das ist nämlich die Bremer Mischung: Die Firmen hier engagieren sich, weil sie sagen: Es muß etwas passieren in Bremen. Die Kulturpolitik versagt an vielen Stellen, und wir wollen gerne helfen; andererseits haben die Unternehmen natürlich auch etwas davon, wenn sie als Sponsoren in Erscheinung treten. Der Werbeeffekt ist aber überhaupt nicht der vorrangige Punkt dabei.

Bei den Großplakaten hatte ich allerdings den umgekehrten Eindruck; da fiel mir zuerst der Name Eduscho oder Beck's ins Auge mit der zugehörigen Farbe, als zweites der Titel: „Musik im Europahafen“ und drittens dann der Name Lorin Maazel.

Gut, das liegt vielleicht daran, daß man manches vielleicht auch mal ein bißchen deutlicher zeigen muß hier in Bremen. Wir haben mit dem Musikfest vieles geschafft, aber es ist auch noch viel zu tun.

Fragen: Thomas Wolff

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