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Dank an sowjetische Kulturoffiziere

Wenige Tage vor dem Abzug der letzten russischen Soldaten aus Deutschland erinnerte die Akademie der Künste gestern an das Wirken sowjetischer Kulturoffiziere im Nachkriegsdeutschland von 1945 bis 1949. Im total überfüllten Konrad-Wolf-Saal der früheren DDR-Kunstakademie neben der Charité, der den Namen des ostdeutschen Regisseurs („Ich war neunzehn“) und einstigen sowjetischen Kulturoffiziers trägt, waren unter anderem der Schriftsteller Stephan Hermlin und der stellvertretende SPD-Vorsitzende Wolfgang Thierse zu sehen.

Zu den Teilnehmern der Diskussionsrunde gehörten unter anderem der russische Autor Lew Kopelew und sein deutscher Kollege Wolfgang Leonhard sowie eine Reihe ehemaliger sowjetischer Kulturoffiziere. In der gleichen Straße befindet sich der Künstlerklub „Die Möwe“, den die russische Besatzungsmacht gleich nach Kriegsende als ersten Treffpunkt für Künstler einrichtete.

Kopelew, der sich sichtlich bewegt von dem historischen Augenblick zeigte, bezeichnete es als eine der wichtigsten Lehren der Geschichte, daß „Nation, Kultur und Volk“ alles bedeute, die Staatsmacht und ihre Organe dagegen etwas anderes seien. Für die Sowjetunion sei der Sieg 1945 ein „zweideutiger Sieg“ gewesen, andere hätten es auch einen „tragischen Sieg“ genannt, meinte Kopelew. „Der verdiente Rattentod Hitlers führte leider zum unverdienten Triumph Stalins. Daran haben wir alle zusammen leiden müssen.“ Leidenschaftlich rief er beide Völker dazu auf, „nicht einfach nebeneinander“ zu leben, „wir müssen miteinander leben, nicht aus Barmherzigkeit, sondern aus Vernunft und aus Erkenntnis aus der Geschichte“.

Akademiepräsident Jens erinnerte an das Blutopfer von Millionen vor allem junger russischer Soldaten. „Die Überlebenden bleiben in ihrer Schuld. So wie wir denen verpflichtet sind, die den konkreten kulturellen Nachholbedarf der Deutschen befriedigten und damit deutlich machten, daß das Deutschland von einst und das Deutschland von Goethe nicht ein und dasselbe sind.“ Natürlich habe es unter den sowjetischen Kulturoffizieren auch Dogmatiker gegeben, „aber auch viele, die grausam gemaßregelt wurden“.

Leonhard, der mit vielen sowjetischen Kulturoffizieren nach 1945 zusammengearbeitet hat, war von ihnen stark beeindruckt. Sie hätten nicht nur Befehle ausgeführt, sondern ein echtes Bedürfnis und Enagegement gehabt. Doch sei dies nur die eine Seite gewesen, die andere „das bedrückende, totalitäre, brutale System, das die Kulturoffiziere hemmte und sie zunehmend verängstigte“. Leonhard erinnerte daran, daß nicht wenige von der sowjetischen Geheimpolizei verhaftet worden seien.dpa

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