Ein Goldesel hackt dem anderen kein Auge aus Von Ralf Sotscheck

Die Geschichte klingt wie ein schlechter Roman – doch genau das ist schließlich das Metier der Hauptperson: Jeffrey Archer, ein Schriftsteller und Tory-Politiker von erbärmlicher Mittelmäßigkeit, mit der er freilich höchst erfolgreich ist. Als Steigbügelhalter der ehemaligen Premierministerin Margaret Thatcher und Miterfinder des Thatcherismus beförderten ihn die Torys ins House of Lords. Und mit seiner Schreiberei hat er es längst zum Millionär gebracht, so daß einige seiner Kollegen aus der Politik – wie Außenminister Douglas Hurd – nun selbst zur Feder greifen. Warum Lord Archer sich obendrein als zwielichtiger Börsenspekulant betätigt, ist auf den ersten Blick unverständlich.

Doch der Reihe nach. Anfang des Jahres kaufte der Romancier innerhalb von 24 Stunden zwei Pakete von je 25.000 Aktien der maroden Fernsehgesellschaft „Anglia Television“. Wie durch ein Wunder wurde der Sender vier Tage später vor dem Bankrott gerettet, weil das Großunternehmen MAI den Laden für 292 Millionen Pfund (rund eine dreiviertel Milliarde Mark) aufkaufte. Der Wert der Anglia-Aktien schnellte über Nacht in die Höhe, Archers Päckchen war plötzlich 200.000 Mark mehr wert als beim Kauf. Das feine Geschäftsnäschen, das man ihm neidlos attestierte, stellte sich jedoch schon bald als ziemlich grober Zinken heraus: Lord Archers Ehefrau Mary, die vom Neuadel ihres Mannes profitierte und seitdem Lady Archer heißt, ist Direktorin bei Anglia Television und hatte just an dem Tag von der MAI-Übernahme erfahren, an dem ihr Gatte die Aktien kaufte. Der Verdacht lag auf der Hand: „Insider Dealing“ – ein Verbrechen, daß bei Börsianern gleich nach Kindesmord rangiert. Das Ministerium für Handel und Industrie nahm die Ermittlungen auf.

Doch nicht umsonst ist Archer Spezialist für unglaubliche Wendungen: Er habe die Aktien nicht für sich selbst, sondern für seinen irakischen Geschäftsfreund Broosk Saib gekauft, in dessen Namen sie auch registriert wurden. Warum Archer diese Transaktion nicht über seinen üblichen Börsenmakler abwickelte, warum Saib die Aktien nicht selbst kaufte und warum der Scheck über den Profit von umgerechnet 200.000 Mark an Archer gesandt wurde, bleibt ein Geheimnis. Doch dem Handelsminister, Archers wohlhabendem Parteifreund Michael Heseltine, war das egal. Er stellte die Untersuchung im vergangenen Monat ein. Ein Goldesel hackt dem anderen eben kein Auge aus. Doch kaum war Gras über die Sache gewachsen, da meldete sich Jeffrey Archer Ende vergangener Woche wieder zu Wort: Er bedauere zutiefst die „unnötige Verlegenheit“, in die er seine Frau gebracht habe, so ließ er durch seinen Anwalt verkünden. Der Aktienkauf sei ein „schwerer Fehler“ gewesen – aber keineswegs illegal. Das habe der Handelsminister ja schließlich bestätigt. Darüber hinaus sei auch Anglia Television davon überzeugt, daß alles seine Ordnung habe: Lady Archer habe sich nämlich dafür verbürgt. So schließt sich der Kreis. Warum aber der neue schlagzeilenträchtige Auftritt Archers, mit dem er die schlafenden Hunde wieder aufweckte? Könnte es damit zusammenhängen, daß sich Archer zur Zeit auf Promotionstournee für sein neues mittelmäßiges Buch befindet?