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Kampf gegen die Windmühlen

In Schleswig-Holstein gibt es eine Front gegen Novellierung des Bundesbaugesetzes, das den Bau von Windrädern erleichtern soll  ■ Aus Kiel Kersten Kampe

Wenn der Bau von Windrädern erleichtert wird, gibt es an der Küste Krieg. Das prophezeit Ralf Sünkens, Sprecher einer Bürgerinitiative gegen Windkraft. Schon jetzt gebe es in vielen Dörfern Streit um die alternativen Energieerzeuger.

Einig ist man sich an der Westküste im Moment nur darin, daß die Novelle des Bundesbaugesetzes unakzeptabel ist. Weder Bürgermeister noch Landräte, weder die schleswig-holsteinische Landesregierung noch die Fremdenverkehrsbranche wollen den durch die Änderung befürchteten Wildwuchs von Windmühlen hinnehmen. Und auch die Umweltschützer protestieren dagegen. Am Mittwoch steht das Gesetz beim Vermittlungsausschuß in Bonn auf der Tagesordung. Es sieht vor, daß Windanlagen im Außenbereich von Dörfern, für die es keinen Bebauungsplan gibt, bevorzugt genehmigt werden sollen.

Der Bundesrat hatte auf Initiative der Landesregierung in Kiel der Änderung nicht zugestimmt. „Für uns ist der Mittwoch das maßgebliches Datum“, meint Dietrich Storm, Bauamtsleiter des Kreises Nordfriesland. Er ist davon überzeugt, daß sich dann die Zukunft der Westküste entscheidet: paradiesische Erholungsorte in typischer Marschlandschaft am Meer oder ein mit weißen Stromspargeln gespicktes Gebiet, das einem Industriepark gleicht.

Derzeit rotieren in Nordfriesland schon 400 Windanlagen und Anträge für 500 Neubauten liegen vor. Mit der Gesetzesänderung würden die Gemeinden ihre Planungshoheit und damit jeglichen Einfluß auf die Gestaltung ihrer Dorfränder verlieren, glaubt Storm. „Wir sind nicht gegen Windkraft, aber es muß in geordneten Bahnen verlaufen“, sagt der nordfriesische Landrat Olaf Bastian, der vor verheerenden Folgen für den Fremdenverkehr warnt. Mehr Schutz für Natur und Landschaft fordert auch Heidger Brandt, Windexperte beim Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) in Schleswig-Holstein. Ein wichtiger Rastplatz für Zehntausende von Zugvögeln bei der Insel Pellworm ist nach seinen Angaben von den Tieren bereits wegen der Windmühlen aufgegeben worden. Die Flügel der Mühlen haben einen kilometerweiten „Scheucheffekt“ für die Vögel, meint Brandt. Mit der Landesregierung sei man auf dem Weg gewesen, gemeinsame Kriterien zu erarbeiten. Durch den Bonner Vorstoß aber werde dies wieder zunichte gemacht. Sein Credo: Windenergie nicht um jeden Preis, zumal diese schadstoffarme Energieform allein die Energieprobleme nicht lösen kann.

Ist der Wunsch nach Verdienst ein Makel?

Schon lange gehe es beim Bau von Windrädern nicht mehr um die Förderung regenerativer Energie, sondern ums Geldverdienen, moniert Ralf Sünkens von der Bürgerinitiative Landschaft Eiderstedt. Windmühlen seien nicht nur begehrte Abschreibungsobjekte mit ökologischem Touch, sondern für kapitalkräftige Investoren auch eine lohnende Anlage. Eine ins Netz eingespeiste Kilowattstunde wird von den Energieunternehmen mit 16,9 Pfennig entlohnt. Im vergangenen Jahr bezahlte der Energiekonzern Schleswag nach Angaben des Sprechers Hans-Joachim Schiller etwa 40 Millionen Mark für 220 Millionen aufgenommene Kilowattstunden an die Mühlenbetreiber.

Bauern sollen durch Strom verdienen

Bauer Gerhard Jessen aus Galmsbüll hat sich deshalb nicht nur aus Umweltschutzgründen für den Einsatz von Windkraft entschieden. Für den Besitzer von 100 Hektar Ackerland sind seine drei Windmühlen mit einer Leistung von 200, 300 und 500 Kilowattstunden ein zweites finanzielles Standbein. Den größten Teil seines auf dem Alten Christians-Albrecht- Koog nahe der dänischen Grenze erzeugten Stroms verkauft Jessen an die Schleswag; um seinen Eigenbedarf zu decken, müßten sich die Flügel seiner Windmühlen nur vier Tage im Jahr drehen.

Die schleswig-holsteinische Landesregierung sieht es gern, daß sich die Landwirte durch Erzeugung von Windenergie ein Zubrot verdienen. Ihnen will das Energieministerium in Kiel auch durchaus zugestehen, außerhalb von Ortschaften Windräder zu bauen. Ansonsten aber will sie den Wildwuchs von Windparks verhindern, erläutert Ministeriumssprecher Klaus Kramer die offizielle Kieler Position. Derzeit fördert das Ministerium den Bau von Anlagen mit maximal 17 Prozent. Vor fünf Jahren wurden noch, um die Windenergie voranzubringen, 33 Prozent der Investitionssumme aus dem Steuersäckel zugeschossen.

Bis zum Jahr 2010 soll rund ein Viertel des Stromverbrauches im nördlichen Bundesland durch Wind erzeugt werden. Die Landesregierung versteht dies als einen von mehreren Schritten hin zum Ausstieg aus der Atomenergie. Das Energieministerium befürwortet vor allem sogenannte Bürgerwindparks. Die Akzeptanz gegenüber der Windenergie erhöhe sich, je mehr Menschen sich an solchen Parks beteiligen, glaubt man in Kiel. Außerdem erleichtere eine konzentrierte Aufstellung der Anlagen die Beachtung von Umweltinteressen und verringere die Kosten für die Netzanbindung.

Etwa ein Drittel der insgesamt 740 schleswig-holsteinischen Windräder mit einer Leistung von 185 Megawatt steht in Windparks, zwei Drittel der Mühlen betreiben Landwirte. Viele Gegner der Alternativenergie glauben allerdings, daß nicht die Bauern an der Stromerzeugung verdienen. Auf Eiderstedt seien einige Landwirte nur „Deckmäntel für finanzstarke Investoren“, behauptet Ralf Sünkens von der Bürgerinitiative Landschaft Eiderstedt.

Der Öko-Zeitschrift Natur ist der Zoff um den Wind an der Küste eine Auszeichnung wert: „Wer wegen einer leicht veränderten Gesetzeslage gleich den Untergang Nordfrieslands beschwört, erhält von uns — für seinen Kampf gegen Windmühlenflügel — den Hammer des Monats.“

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