: Sparen für die Firma
■ 1.000 Lemwerder-Beschäftigte verzichten auf Lohn zum Erhalt der Flugzeugwerft
Über drei Stunden stritten gestern die Beschäftigten des Flugzeugwartungswerkes im niedersächsischen Lemwerder: Der Betriebsrat hatte zur Rettung des Werkes Lohn- und Gehaltkürzungen vorgeschlagen. Endlich sprachen ihm rund 85 Prozent das Vertrauen aus. Zuvor hatte Alfred Tacke, der Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, der Belegschaft ins Gewissen geredet: „Das Land Niedersachsen trägt das Risiko, wir sind darauf angewiesen, daß die Belegschaft diesen Weg mitgeht.“ Niedersachsen will morgen mit einer Auffanggesellschaft das von Schließung bedrohte Werk der Deutschen Aerospace AG (Dasa/München) übernehmen. Bedingung: Die Produktionskosten müssen um zwanzig Prozent runter.
Zu einem Teil will man durch Umstrukturierung sparen, zum Teil durch Lohn- und Gehaltssenkungen. „20 Prozent bei Lohn und Gehalt kommen für uns natürlich nicht in Frage“, sagte gestern Erwin Nowak, Betriebsratsvorsitzender, vor der Presse. Ein zweistelliger Betrag scheint aber nicht ausgeschlossen. Details werden in den nächsten Tagen festgeklopft. Tariflohn jedenfalls soll gezahlt werden. Aber auf einige der übertariflichen Leistungen werden die Dasa-verwöhnten Beschäftigten (“Metaller de Luxe“) verzichten müssen.
„Jetzt ist es an der Dasa, den Weg freizumachen für eine erfolgreiche Arbeit des Unternehmens am Markt“, sagte Wirtschaftsstaatssekretär Tacke. Mit dem Dasa-Vorstand ist sich die Landesregierung nämlich schon wieder in die Haare geraten: Diesmal geht es nicht um die Wartung des Bundeswehrfrachters „Transall“ – der geht ab 1996 endgültig ans bayerische Dasa-Werk Manching – diesmal geht es um den ebenfalls sehr lukrativen Umbau von ausgemusterten Passagierflugzeugen zu Frachtflugzeugen für den weltgrößten Luftfrachtspediteur US-Carrier Federal-Express (Fedex). Ursprünglich waren alle zwölf Frachter Lemwerder versprochen gewesen. Jetzt will die Dasa nur noch höchstens zwei abgeben. Möglicherweise, wie Tacke gestern zur Überraschung aller bekanntgab, auch vier. Bedingung: Daß sich Lemwerder damit zufriedengibt und nicht selbst in Vertragsverhandlungen mit Fedex einsteigt. Fedex soll nämlich noch für 60 weitere Flieger Umbauwerften suchen. Die Dasa scheint zu befürchten, daß Lemwerder, einmal von den Lohnkosten her abgespeckt, bessere Angebote machen könnte. Heute, einen Tag vor der Übergabe des Werkes, will man weiter streiten.
Dabei kann die Lemwerder-Werft nicht einfach auf andere Auftraggeber ausweichen: Fedex beherrscht 90 Prozent des Umrüstungsmarktes. Ohne Fedex hätte Lemwerder in der Übergangsphase für 400 Leute keine Arbeit. Mit Fedex wäre das „Sommerloch“ gefüllt: Die Passagier-Fluggesellschaften lassen ihre Flugzeuge alle im Winter warten, im Sommer fliegen sie damit. Doch auch die Dasa könnte alle Aufträge gut brauchen. Die 9.000 Beschäftigten im Hamburger Dasa-Werft spüren den Einbruch im Passagierflugzeugmarkt und wollen auch umrüsten.
cis
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen