: Lustig machen über fremde Kulturen
■ Boykott-Aufruf gegen „West“-Werbung: Andere Kulturen werden für die Absatzsteigerung bei Zigaretten mißbraucht / Subtile Form von Rassismus beklagt
Ein „West“-Werbeplakat ist der Grund für Matthias Bienek aus Neukölln und Melanie Kanzler aus Steglitz, einen Boykott-Aufruf gegen „West“ zu starten. Die erste Boykott-Anzeige erschien in der letzten Samstagsausgabe der taz.
taz: Was war der Anstoß für euren Boykott-Aufruf gegen „West“?
Melanie: Ich hab' mich schon vorher über „West“-Werbung geärgert, aber als diese „Goldkehlchen“-Plakate geklebt wurden, war das der Auslöser. Da bietet ein weißer Mann einer schwarzen jungen Frau, die durch ihren Halsschmuck einen ganz langen dünnen Hals hat, eine „West“-Zigarette an. Dort wird nicht nur fremdes Kulturgut verunglimpft, sondern es schleicht sich da auch so eine gewisse Art von Ausländerfeindlichkeit ein. Es ist dasselbe bei der Kinowerbung von „West“: Da fahren buddhistische Mönche mit diesen kleinen Go-Karts rum, und alle finden das wahnsinnig komisch. Aber man benutzt andere Kulturen für die Werbung und macht sich über sie lustig. Wenn da jetzt zum Beispiel nur Deutsche in den Go-Karts rumfahren würden, würde keiner lachen. Da hat es mir einfach gereicht.
Was wollt ihr mit diesem Aufruf bezwecken?
Wir wollen die Öffentlichkeit sensibilisieren. Boykott heißt nicht, daß die Leute unbedingt aufhören sollen, „West“ zu rauchen, das wäre natürlich sehr schön, sondern es geht darum, daß die Leute diesen sich einschleichenden Rassismus in der Werbung erkennen.
Wo seht ihr den Rassismus?
Da sind immer die guten, schönen Weißen mit der „West“-Zigarette in der Hand, die irgendeinem Ausländer praktisch sagen, wo es langgeht. Und bei dieser „Goldkehlchen“-Werbung ist auch noch eine ordentliche Portion Chauvinismus dabei: Der weiße Mann bietet der schwachen Frau aus dem Busch eine kräftige Schwarze an.
Matthias: Und die Geschichte ist ja auch, daß es im Nordosten von Kenia diesen Volksstamm Rentille gibt. Die Frauen bekommen bei der Hochzeit diese goldenen Ringe um den Hals. Die Anzahl der Ringe ist dann auch ein Zeichen von Reichtum. Als Bestrafung oder wenn der Mann sie verläßt, werden ihnen die Ringe abgenommen. Dann ist der Hals zu schwach, und sie müssen sterben. Und in diesem Zusammenhang ist der Spruch auf dem Plakat: „Wie wär es mal mit 'ner kräftigen, Goldkehlchen“ natürlich extrem makaber.
Melanie: Es kommt als Werbung witzig und lustig daher, aber was dahintersteckt, darüber machen sich die wenigsten Gedanken.
Was macht ihr mit den Zuschriften auf euren Aufruf?
Wir wollen uns mit den Leuten treffen, darüber sprechen, und die reden dann vielleicht in ihrem Freundeskreis auch darüber. Einfach ein bißchen mehr Sensibilisierung schaffen. Man kann ja nur im kleinen anfangen.
Wollt ihr an Reemtsma herantreten?
Es war erst mal eine Spontanaktion. Was daraus wird, hängt davon ab, wieviel Resonanz wir bekommen. Interview: Patricia Pantel
Interessierte Mitboykotteure können sich unter Chiffre: „West“-Boykott, taz, Kochstr. 18, 10969, mit Matthias und Melanie in Verbindung setzen
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen