: Ein treuer Diener als später Retter der Partei
■ Im Schattenkabinett ist Gerhard Schröder als „Superminister“ die Nummer zwei / Seine eigenen Ambitionen auf das Kanzleramt hat er noch längst nicht aufgegeben
Gelächter war die Antwort der Journalisten, als Gerhard Schröder sich gestern vor der Bundespressekonferenz als treuer Diener Rudolf Scharpings gab, der die eigenen Ambitionen künftig hintanstellen will. Schließlich hatte der Niedersachse schon seit Jahren kein Hehl daraus gemacht, daß er selbst das Amt des Bundeskanzlers anstrebt, zu dem er Rudolf Scharping nun als einer aus der dreizehnköpfigen Mannschaft verhelfen soll.
Da war zunächst seine eigene SPD-Kanzlerkandidatur für 1998, über die der zielstrebige Niedersachse schon zu einer Zeit Bemerkungen streute, als Björn Engholm noch fest im Sattel des Parteivorsitzenden saß. Dann vor Engholms Sturz konnte Schröder nicht an sich halten, gab eine Woche zu früh seine Bereitschaft bekannt, den Mann mit der Pfeife aus Kiel zu beerben. Die eigene Bewerbung um den SPD-Parteivorsitz, die Kandidatur gegen Rudolf Scharping, galt Schröder von vorherein nur als Schritt auf dem Weg zur Kanzlerschaft. Das Kanzleramt sei die Perspektive, der Parteivorsitz ein wichtiger Schritt auf dem Weg dorthin, erklärte er im vergangenen Sommer, als die Kandidatenkür noch gegen ihn gelaufen war.
Daß er damals bei der Urwahl des Parteivorsitzenden durch die SPD-Mitglieder unterlegen war, hat Gerhard Schröder tief getroffen. „Der Rudolf ist ja noch jünger als ich“, kam es danach schon mal resignativ über Schröders Lippen. Aber gänzlich aufgegeben hatte Schröder seine Bonner Ambitionen nie: „Wenn die SPD im Herbst die Wahl verliert, dann ist in der Partei der Teufel los“, ließ er schon mal während des Wahlkampfes in Niedersachsen vernehmen.
Den Karriereknick des Jahres 1993, seine Niederlage bei der Kür des Parteivorsitzenden, hatte Gerhard Schröder allerdings keineswegs allein Rudolf Scharping zu verdanken, sondern ebenso dem Interimsvorsitzenden Johannes Rau und vor allem Oskar Lafontaine, den er früher ehrlich und später nur zynisch „meinen Freund Oskar“ nannte. Die Rechnung, die Schröder seither mit Lafontaine offen zu haben glaubte, ist nun beglichen. Nicht der Saarländer, der sich in den vergangenen Wochen immer mehr in den Vordergrund rückte, sondern Schröder ist nun der Superminister, die unbestrittene Nummer zwei in der Sozialdemokratischen Partei. Daß er im Schattenkabinett auch das bisher für Lafontaine reservierte Wirtschaftsressort übernehmen könne, hatte Schröder zur Bedingung für seinen Eintritt in die Regierungsmannschaft gemacht.
Die niedersächsischen Grünen wollten keineswegs glauben, daß Schröder nach dem 16. Oktober tatsächlich nach Bonn wechselt. Der Landtagsabgeordnete Trittin sah „wenig Chancen für einen Aufstieg Schröders vom Schatten- zum tatsächlichen Superminister“. Der Ministerpräsident spiele bis zum 16. Oktober lediglich den Platzhalter für Joschka Fischer, orakelte Trittin – einen rot-grünen Wahlsieg vorausgesetzt.
Schröder selbst aber hat möglicherweise ein anderes Wahlergebnis im Blick. Während Scharping es bisher immer strikt ablehnt, sich mit Hilfe der PDS zum Bundeskanzler wählen zu lassen, geht der Niedersachse seit einigen Monaten sehr milde mit Gregor Gysis Truppe um. Seinem heutigen sachsen-anhaltinischen Kollegen Reinhard Höppner hatte Schröder frühzeitig empfohlen, bei der Ministerpräsidentenwahl getrost auf die Unterstützung durch die PDS zu setzen. Später im niedersächsischen Landtag etwa sprach Schröder davon, man müsse die PDS dazu zwingen, politische Verantwortung zu übernehmen. So könnte denn nach einem Wiedereinzug der Partei des Demokratischen Sozialismus in den Bundestag in der SPD erneut eine Auseinandersetzung um Strategie und Personen anstehen: Scharping mit der Option Große Koalition gegen Schröder als den Architekten einer Mehrheit links von der Union.
Eines immerhin ist dem Niedersachsen durch den Eintritt in das Schattenkabinett schon jetzt sicher: Als Brutus der Partei, der stets gegen den Vorsitzenden das Messer wetzt, kann er nun nicht mehr gelten — im Gegenteil. Bei 33 Prozent soll die SPD gegenwärtig in den Umfragen stehen. Jedes Prozent, das seine Partei bis zu den Bundestagswahlen noch zulegt, wird Schröder sich selbst zurechnen. Da will einer Retter der Partei werden und seine Optionen offenhalten. Jürgen Voges, Hannover
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