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„Wir können auch anders“

■ Aufgeheizte Stimmung im Frauenprojekt Buntentorsteinweg vor der Räumung

Die Tür wird aufgerissen, und eine Frau platzt herein: „Ein Nachbar hat gerade gesagt, daß sich unten am Werder-See die Bullen formieren.“ Die acht Frauen am roten Küchentisch im Frauenprojekt Buntentorsteinweg holen tief Luft. Eine will die Sache vor Ort prüfen, eine andere klettert aufs Dach, um den Überblick zu wahren. Doch rasch kehrt wieder Ruhe ein: Die Frauen bleiben cool, obgleich die Polizei jederzeit zur Räumung ihres Wohn- und Lebensprojekts anrücken könnte. Diesmal war es noch Fehlalarm.

Die erste Räumungsklage ging bereits am 15.10.1993 bei dem „Verein für freie Kulturentfaltung, kommunikatives und selbstbestimmtes Leben e.V.“ ein. Bis gestern war es den 12 Frauen mitsamt ihrer Anwältin Kerstin Fürst gelungen, die Räumung mit „Vollstreckungsschutzanträgen“ aufzuhalten – die könnte trotz eingelegter Berufung juristisch durchgeführt werden. Doch seit gestern hat die Stadt freie Fahrt, den Gerichtsvollzieher mit dem Räumungsauftrag ins Buntentor zu schicken – der Vollstreckungsschutzantrag wurde vom Gericht aufgehoben.

Die Frauen sehen einer Räumung nicht widerstandslos entgegen. „Wir können auch anders“, verkünden sie auf einem knallrotem Plakat mit einem Foto von maskierten Frauen mit Zwille, Streit-Axt und Morgenstern. Das Haus ist neuerdings von außen mit Stacheldraht auf dem niedrigen Dach der Fahrradwerkstatt versehen. Doch der Betrieb geht weiter, Gruppen treffen sich nach wie vor im Cafè, die Volxküche wird aufrechterhalten, Veranstaltungen sind ebenfalls geplant und die Kneipe ist offen.

Seit fünf Jahren gestalten die Projektfrauen in dem ehemals besetzten Haus ihr Leben, ihre Ausstellungen, ihre Musik- und Politikveranstaltungen, zeigen Kinofilme. Sie führen weiterhin eine Fahrradwerkstatt und machen Metallschweißarbeiten. Als ihr Vertrag mit der Stadt im letzten Jahr auslief, bockte der Neustädter Beirat und trat mit AnwohnerInnen auf, die „im nachhinein Sachen beanstandeten, die vorher gar nicht so dramatisch waren“, erinnert sich der ehemalige „Pate“ des Projekts, Sozialstaatsrat Hans-Christian Hoppensack. Auch in der Bürgerschaft sprach sich die eindeutige Mehrheit für eine Räumung des Projektes zugunsten einer Bebauung von der Bremischen aus.

Ein Ersatzgelände in Huchting, von Frauensenatorin Sabine Uhl ausgeguckt, lehnten die Frauen als unzumutbar ab. Sie legten ein Kaufangebot für die insgesamt 2.600 Quadratmeter vor – „zu den gleichen Bedingungen wie die Bremische“, mit 400.000 Mark. Darauf erhielten sie nach eigenen Aussagen nur einen „unglaublichen“ Brief von Finanzsenator Kröning.

Die Bremische sitzt in den Startlöchern. „Aber wenn da nicht geräumt wird, machen wir nichts“, sagt Hermann Fuhse, Geschäftsführer der Bremischen. Schon vor fünf Jahren hatte die Gesellschaft dort Altenwohnungen geplant. Als noch in der Schwebe hing, ob die Stadt oder die Bremische selbst den Abbruch machen sollte, wurde das Haus damals besetzt. Interesse meldete die Bremische wieder an, so ihr Geschäftsführer, als der Nutzungsvertrag mit dem Projekt auslief – obwohl in der Neustadt mittlerweile bereits über 300 neue Altenwohnungen gebaut worden sind. Von Sozialwohnungen ist nicht mehr die Rede.

„Früher hieß es, Bremen sei tolerabler“, sagt Staatsrat Hoppensack, „doch wir merken, es ist eine Grenze erreicht. Dabei müßte eine Großstadt wie Bremen ein solches Projekt tragen können.“ Auch die Frauen merken, daß die gesellschaftliche Veränderung greift. Ob es darum geht, Penner aus der Inennstadt zu verjagen oder solche Projekte sterben zu lassen: „Die Kontrolle ist zur Zeit massiv“, sagen sie. Vivianne Agena

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