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SanssouciVorschlag

■ Arrested Development - friedlicher HipHop im Tempodrom

Nein, bei Arrested Development ist es nicht nur die Musik, die die Leute, die sie hören, selbst dann versöhnlich stimmen würde, wenn der Inhalt eher kämpferischer Natur wäre. Es ist die Ruhe, die die Tänzerinnen ausstrahlen: gelassen und aufrecht schreiten sie dahin und kommen ohne High Heels und Korsagen aus. Man hat das Gefühl, sie sei völlig eins mit sich und der Welt, diese ganze große Familie, die da im Red Neck Georgia auf dem Land wohnt und im Hühnerstall Musik austüftelt – die sich dann auch entsprechend anhört: „Ease my mind“ läßt HipHop zum Weltumarmungsklang werden, und auf Stücke wie WMFW (We must fight and win) möchte man endlos, yogagleich mit roten Bäckchen die Hüften kreisen und nicht mit geballter Faust an Black- Panther-Militarismus denken.

Bei Arrested Development ist der Anspruch der Auseinandersetzung mit den roots deutlicher als bei irgendeiner anderen Rap-Band. Da fahren junge Leute zusammen auf Pickups und singen, während der schwarze Großvater in meditativer Ruhe im Schaukelstuhl auf Busdächern ausharrt. „Zingalamaduni“ (Zusammenleben der Kulturen), das neue Album, hat den Geist von „Tennessee“, dem Megahit, mit dem Arrested Development bekannt wurden. Manchmal hat man einfach das Gefühl, eine große WG beim Plausch auf der Veranda zu belauschen, einschließlich aller Hintergrundgeräusche wie Kinder, Hühner, Trecker. Man hört hin und würde am liebsten mit wegdrömeln, in der freundlichen Sicherheit der endlos sich artikulierenden Stimme von Speech. Jede Zeile biegt sich pflückreif unter der Wortlast. In der aktuellen Auseinandersetzung bekommen Arrested Development immer öfter zu hören, durch ihre rurale Friedlichkeit und Afrikazentriertheit würden sie die Spaltung zwischen den „guten Afrikanern“ und den bösen „niggas“, die die weißen Medien so dringend benötigen, unterstreichen. Die Rapper-Gemeinde fragt sich, ob ein „Power to the People“ ausreicht, um dem „Krieg gegen die schwarze Bevölkerung“ in den USA zu begegnen. Und auch die allzu straffe Anleiterrolle des Herrn Speech führte zu heftigen Beben in der Landkommune. Hier und heute aber noch: „Need some time to ease my mind.“ – Das müde Haupt auf Moos betten. Annette Weber

Heute, 20 Uhr, Tempodrom, In den Zelten, Tiergarten.

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