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■ In Nordirland zeichnet sich ein Waffenstillstand der IRA abDer Krieg ist noch nicht vorbei

Ein Waffenstillstand ist noch lange kein Frieden. Das haben die hysterischen Reaktionen der protestantischen Parteien und Organisationen Nordirlands auf den bevorstehenden Waffenstillstand der Irisch- Republikanischen Armee (IRA) gezeigt. Es entspricht der Logik des Konflikts, daß man automatisch jeden Vorschlag ungeprüft verwirft, den die andere Seite positiv beurteilt – nach dem Motto: Was gut für die ist, muß schlecht für uns sein. In diese Kategorie fällt auch das blutrünstige Statement der protestantisch-loyalistischen Paramilitärs, die am Montag abend einen Bürgerkrieg angekündigt haben: Sie sind davon überzeugt, daß es eine Gegenleistung geben muß, wenn die IRA die Waffen niederlegt.

Es besteht kein Zweifel, daß es den Loyalisten mit der Drohung ernst ist, weil sie in ihren Augen nichts mehr zu verlieren haben: Sie fühlen sich von Großbritannien verraten und vom Ausland zum Sündenbock gemacht. Zum anderen haben sie in der Vergangenheit bewiesen, daß sie durchaus in der Lage sind, ihre Drohung wahr zu machen. Als die IRA im Februar 1975 einen Waffenstillstand verkündete, reagierten sie mit einer Serie von willkürlichen Morden an Katholiken, so daß die Waffenpause nach wenigen Monaten zu Ende war.

Die andere Unbekannte in der Friedensgleichung ist die IRA. Der Waffenstillstand, für den die Entscheidung offenbar gefallen ist, stößt innerhalb der Organisation auf erheblichen Widerstand. Man gibt der Friedensinitiative des Sinn-Féin-Präsidenten Gerry Adams vom politischen Flügel der IRA deshalb eine Chance, weil der bewaffnete Kampf schon lange keine Aussicht auf Erfolg mehr hat und beide Organisationen auch in der – wenn auch schwachen – irischen Linken immer stärker isoliert waren. Adams rechnet nach Verkündung des Waffenstillstands mit einer „positiven Reaktion“ der Regierungen in London, Dublin und Washington. Doch mehr als ein Lob und ein Platz für Sinn Féin am Verhandlungstisch wird nicht herausspringen. Und worüber will man denn verhandeln, wenn die Regierungen stets betonen, daß am Status quo nicht gerüttelt wird, solange eine Mehrheit in Nordirland das nicht will?

Sollten loyalistische Kommandos dann auch noch Jagd auf Katholiken machen, wird die IRA nicht tatenlos zusehen. Schließlich hat sie ebendeswegen vor 25 Jahren erneut zu den Waffen gegriffen. Die Unterstützung durch die Ghetto-Bevölkerung ist der Grund, weshalb die IRA im vergangenen Vierteljahrhundert nicht besiegt werden konnte. Diese wird sie langfristig nicht aufs Spiel setzen. Noch deutlich erinnert man sich an die höhnischen Graffiti an den Hauswänden in den katholischen Ghettos: „IRA: I ran away“ (ich bin weggerannt).

Der Krieg ist noch nicht vorbei. Es kommt jetzt darauf an, wie flexibel alle Beteiligten mit dieser Chance, die der Waffenstillstand bietet, umgehen. Ralf Sotscheck, Dublin

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