: Pulizistisches Lebenszeichen
■ betr.: „Unsere kleine Farm“, taz vom 23.8.94
Was sind das bloß für Leute, haben wir uns immer gefragt, die diese Leserbriefe verfassen, sich somit öffentlicher Kritik und vielleicht auch derer ihrer Mitmenschen aussetzen, nur um einen wahrscheinlich unbedacht, verfaßten Artikel zu unverdienter Beachtung zu verhelfen. Lauter kleine Möchtegernautoren, notorische Nörgler, neidische Kollegen des Autors...?
Nie haben wir bisher die Nerven verloren, lieber unsere Anonymität bewahrend, dachten wir nie daran das öffentliche Streitschwert zu erheben. Nein, lieber haben wir immer die sicherlich bequemere Variante devoter Zurückhaltung bevorzugt. Bis heute...
Was wir heute von euch zu lesen bekamen, übertraf bei weitem das, was wir ohne Gegenwehr zu ertragen vermögen. Und so werden wir uns heute einreihen in oben genannten Personenkreis, um ein publizistisches Lebenszeichen zu geben [...].
Liebe Autorin, Rockmusiker wie Pink Floyd dürfen nicht, sie müssen alt sein, um eine musikalische Perfektion zu entwickeln. Was spricht denn gegen Perfektionismus?
Wer Originalität und auch Spontanität in trivialen Äußerlichkeiten beziehungsweise in musikalischem Unvermögen zu finden sucht, der ist bei einem Pink-Floyd-Konzert mit Sicherheit fehl am Platz. Was Du als simpel strukturiert bezeichnest, entpuppt sich (frau müßte allerdings schon einmal genauer hinhören) als filigrane Meisterleistung, die hinsichtlich Arrangement, Komposition und künstlerischer Umsetzung ein musikalisches Klangergebnis ergibt, das eben nur mittels modernster Technik zu verwirklichen ist.
Vielleicht hast Du ja bei dem von Dir kritisierten Konzert nur vergessen, Deinen Workman abzunehmen. Glaub uns, kein einziger Lichtstrahl, kein Ton, keine Textstelle und auch kein herabstürzendes Schwein waren zuviel oder zuwenig, um dieses Konzert das werden zu lassen, was es nun mal war – perfekt. Aber wenn einem der Zugang zu einer Sache emozional verwehrt ist, entwickelt man Berührungsängste und kratzt subjektiv an der Oberfläche des Ganzen entlang.
Anstatt sachlich zu befinden, erinnerst Du in Deinem Unsachverstand und deiner Möchtegernstilistik an die wahrscheinlich noch ewig dauernden Gehversuche solcher Kapellen wie Ace of Base.
Und was spricht eigentlich gegen Familienfotos beim Konzert einer Band, die es vermag, Generationen zu betreffen. Immer noch besser als Fahndungsfotos nach einem Technokonzert.
Eine Pink-Floyd-Platte verheißt inhaltlich auch keine Königstrüffel, sondern Pink Floyd. Und diese Musik setzt nun mal Interesse, Sensibilität, ein gewisses musisches Niveau und vielleicht auch die Fähigkeit, Perfektionalität neidlos einzugestehen, voraus.
Hast Du wirklich erwartet, daß ein neues Pink-Floyd-Material eine völlig andere Musik enthält, die womöglich auch noch dem Zeitgeist hinterherhechelt (Rolling Stones, Phil Collins) und sich nicht bewährter musikalischer Mittel bedient? Eine solche bittere Enttäuschung ist uns – Pink Floyd sei Dank – erspart geblieben: Man blieb sich treu.
Und apropos Subkultur, Pink Floyd läßt sich nicht ins Subkulturelle elitären, allerdings läßt Deine arrogante Überheblichkeit gegenüber den Fans auf subkulturelle Rudimente in Deiner Persönlichkeit schließen, gebotene Objektivität wird hier zu Voyeurismus.
Nun gut, zwei gegen einen ist feige, darum schließen wir jetzt die taz-Redaktion in unsere Kritik mit ein:
Liebe tazlerInnen, Ihr solltet Euch nicht nur hinsichtlich der Leserbriefe Kürzungen vorbehalten – für Leserbriefe seid Ihr nicht verantwortlich, für Eure Artikel schon. Da aber der Rest der Ausgabe wie immer gut war, verzeihen wir Euch, der Autorin nicht! Heike Höller, Jürgen Timm,
Seevetal
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