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Fast so schön wie bei Werder

■ Mit Bier & Bockwurst bei Monserrat Caballé: Bremen feierte sein erstes „Classic-Open-Air“ im Weserstadion

Es fing schon damit an, daß am Ende die Diva fehlte. Flugs war Monserrat Caballé vom Spielfeld chauffiert worden und fort. Eben hatte sie noch mit Gösta einen kleinen Lehár-Walzer auf der Bühne geschlenzt, hatte ihm ihr „Isch hab' disch ja soo lieb“ auf die Stirn gedrückt. Gösta Winbergh griff zu, und händeschlenkernd hoben die Göttlichen an, in den grauen Bremer Wolkenhimmel zu entschweben, und nahmen das eine oder andere wahrhaftige Nackenhaarsträuben und Bauchziepen aus dem Publikum mit. Up and away, und es hörte so erdig auf, wie es begonnen hatte.

Bremens erstes Classic-Open-Air im Weserstadion war eine Sommernacht der schönen Stimmen – und leider auch der Klänge. Man hätte ihnen Platzverweis erteilen müssen, den Klingenden, und zwar bereits nach dem ersten Foul. Was hatten die Swinger um Glenn Miller und Duke Ellington bei Verdi und Bizet zu suchen, außer daß sie ihnen mit dem „One O'Clock Jump“ ans Schienbein traten. Die Werder Bremen „Big“ Band – achtzehn MusikerInnen – gab in Grün-Weiß ihr Einstandsspiel im heimischen Stadion, nahm dafür eine knappe Halbzeit netto in Anspruch und kam übers Aufwärmen nicht hinaus: Selbst das offensichtlich trainierte Solo-Aufstehen verpuffte moodig-träge.

Schon sackten die ersten der rund 6.000 auf den Rängen ins Dekadente ab. Bockwurst, Pommes, Bier. Wie samstags bei Werder. Was blieb auch anderes übrig, als sich den Gepflogenheiten hinzuwenden, die herrschen, wenn „König Fußball“ die Welt regiert, wenn schon auf der Bühne bis dahin wenig von dem versprochenen Königlichen zu hören war. Majestätisch-monströs thronte das Opernzelt ganz in Weiß mitten auf dem grünen Rasen, umstellt von beschildeten Mannen, die wohl sämtliche (körperliche) Berührungspunkte penibelst abzuschirmen hatten. Wo im Berliner Maifeld sich die Leute mit Kind und Picknickkorb auf ihren Decken ganz nah an die Stars heranfläzen dürfen, wenn Justus Frantz nächtens die „Carmina Burana“ zelebriert, da hielten in Bremen nur ein paar hundert Auserwählte auf der bestuhlten Aschenbahn (150 Mark die Karte) die Nase in den Wind – der Rest hielt Abstand.

Windig war es, ja, und da hatte nicht nur der Startrompeter Maurice André, der zärtliche Haucher, mit seinen entflatternden Notenblättern zu kämpfen. Windig und verspielt raste er auch mit seiner Vivaldi-Sonate davon, daß unser Philharmonisches Orchester leidlich Mühe hatte, mitzuhalten. Und vom Winde angeweht, schaukelten die Mikrophone vom Bühnenfirst hängend durch die Gegend. Daß es sich hierbei um tatsächlich höchsensibelste Gerätschaft handelte, bewies der permanente Donnergroll aus den zwei meterhohen Megaboxen.

Dann, der Held. Opern a la nouvelle cuisine servierte uns der smarte Schwede Gösta Winbergh. Ein Schnittchen Donizetti, ein Häppchen Massenet lagen da etwas verloren auf dem Serviertablett des Meistersängers. Er schien irgendwie nicht so recht aus sich heraus zu wollen. Vielleicht war es ihm ja auch zu kalt. Schon nämlich legte sich kühle Nachtschwere auf Bremen nieder. Und die Anzeigentafel blinkte sie endlich heran, unsere Montserrat Caballé. Ja, und es soll schon nach wenigen Tönen aus ihrer göttlichen Kehle die ersten Gänsehäute gegeben haben.

Sie endlich nahm sich wirklich Zeit. Schlich sich sanft ins Pace, pace mio Dio aus Verdis „Macht des Schicksals“, sang sich aus dem Stadion hinaus, wechselte die eigenen Tonfrequenzen, daß einer schwindlig werden mußte. Dabei war sie so erbärmlich eingequetscht zwischen dem Dirigenten Hans Wallat und dem Konzertmeister des Philharmonischen Orchesters, daß sie gerade noch abwechselnd mit dem linken oder rechten Arm ausgreifen konnte. Wie gerne wären wir ihr ein kleines bißchen näher gerückt, denn nur die Glücklichen mit Feldstecher (kaum Operngläser) sahen Monserrat Caballé die Freude im Gesicht stehen. Und entdeckten die Hornbrille auf ihrer Nase, mit der sie ihren Duettpartner Gösta in der Partitur verfolgte.

Nach elendlangem Vorlauf hatten die beiden Diven also dann doch noch ihr Feuerwerk gezündet – selbst Gösta Winbergh sang zum Schluß fast so temperamentvoll wie ein Italiener. Weit gefehlt jedoch, wer sich eingebildet hatte, daß danach ein Händel mit seiner Feuerwerksmusik geöffnete Opernherzen am Funkensprühen halten kann. Stattdessen drangen die Fanfarenbläser inklusive der 10 of The Best-Trompeter der Welt wie vom Burgturm herab mit kaltem Blech in die so arg geplagten Seelen. Swing beißt Klassik, und manchmal beißt sogar der Händel den Lehár. Silvia Plahl

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