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Begegnung mit dem Topf meiner Großeltern

■ Versandhaus „Manufactum“ bietet bewährte und stabile Haushaltsgegenstände an und kämpft so gegen die Müllflut / Manche der schönen Geräte sind allerdings kaum bezahlbar

Wenn ein Versandhaus für Haushaltswaren mit dem Slogan „Es gibt sie noch, die guten Dinge“ wirbt, ist das fast eine Provokation, denn: War früher alles besser? Jörg Häntzschel las den Katalog.

Die Firma Manufactum bietet 2.300 Dinge an, die vom Aussterben bedroht sind. Nicht, weil sie nichts taugen, ganz im Gegenteil. Die ungehemmte Sucht nach Billigem und Buntem, die Lust am Wegwerfen und Kaufen haben gediegene Handwerksprodukte immer mehr vom Markt verdrängt.

Manufactum verkauft, was sich oft seit Generationen bewährt hat: langlebig, reparierbar, aus klassischen Materialien hergestellt und mechanisch arbeitend. Viele der Produkte stammen aus den neuen Bundesländern. Schön sind sie nicht nur durch gefälliges Design, sondern durch Funktionalität und Schlichtheit. Nostalgischer Charme ist Nebenprodukt.

Küchengeräte, Werkzeug, Uhren, Schreibwaren und Spielzeug werden feilgeboten: das Putzmittel mit dem kuriosen Namen „Schmitzol“, die Fliegenklatsche aus Leder, der Eimer aus Segeltuch, der Hirschknochen zur Schuhpflege und der Weinkühler, der mit Verdunstungskälte arbeitet.

Vielen Gegenständen sind wir schon einmal begegnet – im großelterlichen Haushalt oder in alten Filmen: den schwarz-blau lackierten Email-Töpfen, dem roten Gartenschlauch aus Gummi statt PVC, der kupfernen Wärmflasche, dem gläsernen Klebestift mit Gummi- Mund, der Küchenwaage mit Laufgewicht, dem „Klappsitzstock“ oder dem Stativ aus Eschenholz.

Doch es schwappte die große Plastikflut über uns. Dinge begannen zu piepsen oder nutzlose Daten anzuzeigen. Meistens konnte man sie bald wegwerfen. Auf dem Flohmarkt bestaunt man leuchtenden Auges alles, was irgendwie alt aussieht, oder deckt sich mit prestigeverheißendem Designer- Hausrat ein. Obwohl nicht jeder eine Decke für 568 oder eine Bleistiftspitzmaschine für 449 Mark braucht: Wir suchen sie doch, die „freundschaftliche Beziehung zu den Dingen“, von der im Katalog die Rede ist.

Dieser selbst ist gut gemacht: Nüchterne Abbildungen werden ergänzt durch Texte, die man nicht genug preisen kann. So vornehm und informativ, wortmächtig und bisweilen ironisch hat uns noch niemand, der verkaufen wollte, über Vor- oder gar Nachteile seiner Waren aufgeklärt („Wunderschön, aber nicht immer frei von kleinen Mängeln in der Verarbeitung“, heißt es zu einer 449-Mark- Kaffeemühle). Nebenbei erhalten wir kulturgeschichtliche Abrisse: Evolution von Form, Funktion und Gebrauch der Gegenstände wie auch ihre Herkunft werden erläutert, hie und da wird ein wenig Materialkunde eingeschoben – der Katalog als Enzyklopädie des Alltags: Hobel und Hornkamm, Globus und Gurkenreibe, Bumerang und Bimsstein, Gripzange und Gießkanne.

Manchmal muß man ein wenig grinsen, etwa wenn ausführlich erklärt wird, wie Bleistifte richtig zu spitzen sind. Nach der Lektüre sind uns die Augen weit geöffnet – für gute Gestaltung wie für all den Ramsch, der uns täglich umgibt. Viele werden sich die schönen Alternativen nicht leisten können; wer den Katalog liest, wird fortan vielleicht lieber Konsumverzicht üben, sich den Gang zu Discountern und Resterampen noch einmal verkneifen.

Manufactum, Postfach 1620, 45746 Marl, Tel.: 02365/91 610.

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