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Dioxin kann nicht ökologisch sein

PVC-Industrie setzt auf Fenster-Recycling, weil die Ökobilanz der Holzfenster auch mies ist / Beim Hausbrand entsteht krebserzeugendes Dioxin  ■ Von Christian Arns

Die chlorverarbeitende Industrie ist in heller Aufregung: Immer mehr Städte und Gemeinden beschließen, daß PVC in öffentlichen und öffentlich geförderten Gebäuden nicht mehr eingesetzt werden darf. Damit ist der Milliardenumsatz, der allein im Fenster- und Fassadenbereich jährlich erzielt wird, in Gefahr.

Der Marktanteil des PVC bei Fenstern beträgt über 40 Prozent, gleichauf liegen Holzfenster. Rund 185.000 Tonnen Profile aus PVC wurden 1990 in den alten Bundesländern eingebaut – deutlich mehr, als die Bevölkerung Hamburgs wiegt.

Allerdings werden aufgrund breitangelegter Image-Kampagnen der Hersteller bereits erste Verbote wiederaufgehoben. In Bielefeld waren den Stadtverordneten die Ökobilanzen nicht mehr eindeutig genug, in Hessen zog das Arbeitsplatz-Argument, und in Berlin sehen die Liberalen ihren geheiligten freien Markt in Gefahr: Mit der Fenster Recycling Initiative (FREI), einer Art Gesellschaft für bedrohte Kunststoffe, laufen sie Sturm gegen die Ächtung.

FDP-Fraktionsvize Gerhard Schiela, unfähig, zwischen gesundheitsschädlichen Chemikalien und unterdrückten Menschen zu unterscheiden, fordert gegenüber der taz, daß „einzelne Materialien nicht diskriminiert werden“.

Dabei gibt es durchaus Argumente gegen die Produktion: Um PVC herzustellen, wird zum einen Ethylen aus Erdöl gebraucht, zum anderen wird aus Steinsalz Chlor gewonnen, ein Giftstoff. Wesentlich gefährlicher ist jedoch Vinylchlorid (VC), das Produkt aus beidem: „Vinylchlorid ist ein krebserregender Arbeitsstoff“, erklärt Dr. Hans-Hermann Eggers, Diplom-Chemiker beim Umweltbundesamt (UBA). Durch ein spezielles Verfahren würden einzelne VC-Moleküle zum Makromolekül Polyvinylchlorid, kurz PVC. Dieses wird jedoch nicht in Reinform benutzt, da es sowohl hitze- als auch lichtempfindlich ist. Dem Ausgangsmaterial für Fenster werden daher unter anderem große Mengen Schwermetalle beigemischt, wie Wissenschaftler des Forschungszentrums Jülich in ihrer PVC-Stoffstromanalyse betonen: „Allein in den Jahren 1973–83 wurden circa 2.750 Tonnen Cadmium als Stabilisator für PVC- Fensterprofile eingesetzt.“ UBA- Chemiker Eggers ergänzt: „Cadmiumverbindungen sind krebserzeugend“; die ebenfalls gängigen Bleiverbindungen sind giftig.

Doch trotz dieser mehr als bedenklichen Inhaltsstoffe ist dem PVC-Fenster bislang mit Ökobilanzen kaum beizukommen: Zwar kommt Dr. Klaus Richter von der Eidgenössischen Materialprüfungsanstalt (Schweiz) zu dem Ergebnis, daß „Holzfenster das günstigste Ökoprofil“ aufweisen; allerdings ist der Vorsprung zum PVC- Fenster knapp. Grund dafür ist jedoch nicht das Holz selbst, das, auf die Herstellung bezogen, uneinholbar in Front liegt. Schuld sind die noch immer gängigen Farben und Lacke der petrochemischen Industrie.

„Wir bieten bereits seit über zehn Jahren eine Lasur für Fenster im Außenbereich an, die ausschließlich aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt wird“, entgegnet Helmut Nieder, Geschäftsführer von „AURO Naturfarben“ in Braunschweig.

Doch bislang sind weder umweltfreundliche Holzlacke noch das Kunststoff-Recycling in Ökobilanzen einbezogen. Daher sind die Hersteller der PVC-Fenster über ihre noch kein Jahr alte Recyclinganlage in Behringen bei Erfurt besonders glücklich. Denn dort entsteht auf der grünen Wiese aus alten Profilen und aus Produktionsresten ein Recyclat, das problemlos zur Produktion neuer Fenster genutzt werden kann.

Norbert Bruns, kaufmännischer Leiter des Betreibers, der VEKA Umwelttechnik GmbH, betont gegenüber der taz: „Wir wollen keine Parkbänke machen.“ Aus Fenstern werden Fenster, so die Idee der Betreiberfirma, die eine hundertprozentige Tochter der VEKA AG ist. Diese wiederum ist weltweit Marktführer bei Kunststoffprofilen im Fensterbau und investierte nach eigenen Angaben dreißig Millionen Mark in den Neubau.

Die könnten sich lohnen, denn die Taktik ist geschickt: Das einzige PVC-Produkt mit vergleichsweise annehmbarer Ökobilanz kann nun so wiederverwertet werden, wie es sonst meist vergeblich verlangt wird. Und auch Bruns' Forderung nach höheren Entsorgungsgebühren könnte von einer Umweltschutzgruppe stammen; je teurer die Deponie, desto attraktiver ist der Weg nach Behringen.

Doch auch mit funktionierendem Recycling wird das chlor- und schwermetallhaltige PVC kein ökologisches Produkt, wehrt sich Greenpeace gegen Augenwischerei: Die spezifischen Probleme würden nur hinausgeschoben, nicht gelöst, unterstützt UBA- Chemiker Eggers.

Solche gibt es zum Beispiel bei der Verbrennung, zumal bei einem Hausbrand: „Im Brandfall können Dioxine und Furane entstehen“, wurde vom Bund-Länder-Ausschuß für Umweltchemikalien (BLAU) kritisiert: Diese Substanzen seien hochgiftig, „das sogenannte Seveso-Dioxin ist außerdem als krebserzeugend eingestuft“.

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