GAL-Plakat verunglimpft Staat

■ Karikatur unterstellt solidarische Zusammenarbeit von Bürokraten und Brandstiftern, sagt das Amtsgericht / Grüne „verwarnt“ Von Uli Exner

Berufung. Daran läßt Rechtsanwalt Ernst Medecke keinen Zweifel. Berufung. Dieses Urteil, flüstert seine Mandantin Amke Dietert-Scheuer, „ist politisch völlig inakzeptabel“.

Schuldig ist sie gestern gesprochen worden. Der „Verunglimpfung des Staates“. Weil sie, als Geschäftsführerin der GAL Eimsbüttel, verantwortlich gezeichnet hat für ein Bürgerschafts-Wahlkampfplakat, auf dem „Behörden, Gerichte, vielleicht auch Verfassungsorgane verächtlich gemacht werden“. So hat es die Innenbehörde empfunden, so sieht es die Staatsanwaltschaft und so formuliert es in ihrer Urteilsbegründung auch Amtsrichterin Ute Ebert.

Sie hatte darüber zu befinden, ob man Brandstiftung, Mordbrennerei, begangen von Rechtsradikalen, auf eine Stufe stellen darf mit staatlichem Handeln, mit Asylrechtsänderung, mit der Abschiebepraxis deutscher Behörden. Denn das hatten die Grünen im vergangenen Sommer getan. Per Wahlplakat, als Meinungsäußerung, zugespitzt in einer Karikatur: Der Bürokrat, der Politiker, der Schreibtischtäter Arm in Arm mit dem rechtsradikalen Brandstifter, beide bewaffnet mit ihrem jeweiligen Werkzeug, dem Kugelschreiber, dem Zündholz. Darüber zwei Sprüche, „wir zünden an“, „wir schieben ab“.

Amke Dietert-Scheuer, Bundestagskandidatin ihrer Partei, hat der Richterin ausführlich dargestellt, was diese Karikatur ausdrücken sollte. Sie hat versucht, mit Zitaten von CDU- und SPD-Politikern den Zusammenhang zwischen der Ausländerfeindlichkeit, der Mordbrennerei und dem politischen Klima im Deutschland Helmut Kohls, der weitgehenden Einschränkung des Asylrechts aufzuzeigen.

Sie führt Klaus Bednarz an, Heiner Geißler und Richard von Weizsäcker, die – in ihren Worten – die Verantwortung der Behörden, der Verfassungsorgane, des Staates eben, für die rechte Gewalt benannt haben. „Die Morde von Mölln und Solingen,“ so zitiert die Angeklagte den Bundespräsidenten, „sind nicht unzusammenhängende, vereinzelte Untaten. Sondern sie entstammen einem rechtsextremistisch erzeugten Klima. Auch Einzeltäter kommen hier nicht aus dem Nichts.“ Auf diesen Zusammenhang habe das GAL-Plakat hinweisen wollen.

Ralph Bornhöfts Mitarbeiter „fühlten sich durch dieses Plakat beleidigt“. Der Chef des Einwoh-nerzentralamts, zuständig für Ausländerangelegenheiten, ist als Zeuge vorgeladen. Nein, ihm selbst sei das Plakat nicht aufgefallen, aber seinen Mitarbeitern. „Wievielen?“, will die Richterin wissen. Mehrere hätten ihn angesprochen, einer davon schriftlich. 360 Mitarbeiter hat die Hamburger Ausländerbehörde. Und Bornhöft? „Ich muß sagen, daß ich das Plakat nicht in Ordnung fand.“ Bornhöft hat die Beschwerden weitergeleitet an den zuständigen Innensenator Werner Hackmann, der sich der Meinung seines Amtsleiters anschloß.

Das Perfide, das strafrechtlich Relevante sei, so faßt Staatsanwalt Mauruschat die Auffassung der Behörde zusammen, daß durch die Karikatur nicht ein bloßer Vergleich zwischen Bürokraten und Brandstiftern gezogen werde, sondern eine solidarische Zusammenarbeit beider unterstellt werde. Dies überschreite die Grenzen der Meinungs- und der Kunstfreiheit.

Richterin Ebert schließt sich dieser Interpretation an, nicht aber dem geforderten Strafmaß, 60 Tagessätze á 70 Mark: Sie verhängt eine Verwarnung, vermindert die Tagessätze auf 50 Mark und setzt diese zur Bewährung aus.