piwik no script img

Unser kleines RadioMein Herz geht Hubbadibubu

■ Anmerkungen eines Wellenreiters. Heute: Moderator K.H. Calenberg

„Der Moderator soll kein Blubber-blubber zwischendurch“ machen. Derart weise und von wuchtigem Intellekt sind die Eingebungen des Karl Heinz Calenberg, langgedienter Moderator der Hansawelle von Radio Bremen. Calenberg ist der Expressionist der Quasselbande unseres Senders. Irgendwo zwischen Hans Arp, Ernst Jandl und Heinrich Lübke ist seine Sprachgewalt anzusiedeln. Ein Mann, der sagt, was er denkt, und gerade das verleiht seiner Moderation eine besondere Würze.

„Ich will nicht das Nazisystem mit der SED vergleichen – aber die Auswirkungen waren dieselben.“ So sprach Calenberg am 7. Februar 1990, um 8 Uhr 50. Solche trockenen verbalen Aufwärtshaken sind die Spezialitat des Rastelli der freien Rede. Zur deutschen Sprache, ihrem Stil, ihrer Grammatik und der Vielfalt der Sinngebung pflegt er ein ganz besonderes, intimes Verhältnis. Mal zwingt er seinen Gedankenreichtum durch ein schlichtes „Wupp, wupp, wupp“ in den Doppelnelson, mal drückt er sein Empfinden durch tiefe Kenntnisse des Zitatenschatzes aus: „Ich bin hier nur der Clown: immer nur lächeln, zu Tode betrübt.“

„Mein Name ist Karl Heinz Calenberg – das alleine ist schon schlimm genug.“ Calenberg liebt das Understatement. Und ist gefangen in den Ketten seiner Sinnlichkeit: „Mein Herz geht Hubbadibu, hubbadibububu“, sagt er völlig unmotiviert und zusammenhanglos, und das Wunder ist: Man glaubt es ihm.

Ganz neue und wundersame Zusammenhänge modelliert er, wenn die deutsche und die englische Sprache in seinem Kopf zusammentreffen. Da heißt „Be my Day“ für ihn „Das ist mein Tag“, „Blinded by the light“ mutiert bei ihm zu „Blind durch die Nacht“ und als doppelt eingesprungener Sprach-Rittberger ist für ihn „I got a kick out of you“ - „gesungen von Otto Rehhagel: ich tret euch in den Hintern, wenn Ihr nicht gewinnt“.

Sein langer Dienst in der Bundeswehr und seine Nähe zur Bremer CDU schärften Calenbergs champagnerhaft perlenden Intellekt. Das sisyphushafte Bemühen, Vokale und Konsonanten in eine zumindest formal richtige Ordnung zu bringen, muß dem Rheinländer als aufopfernde preußische Pflichterfüllung angerechnet werden.

Neulich, kurz vor elf Uhr abends, schrie er, von finsteren Seelengewalten gepeinigt, ein Lied der Sängerin Pe Werner nieder. „Würg sie ab, mach Schluß, gib ihr den Rest.“ Da ist es völlig unverständlich, daß folgende häßliche Anekdote bei Radio Bremen erzählt wird: Calenberg trifft einen Hörer. „Guten Tag, Herr Cal.“ - „Entschuldigung, aber mein Name ist Calenberg!“ - „Da können Sie mal sehen, wie schnell ich Ihre Sendung immer abschalte.“

Lutz Wetzel

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen