: Demonstrationsverbot aus Staatsraison
■ Polizei verbietet Demo gegen „Großen Zapfenstreich“ / Sicherheitsvorkehrungen Vorgeschmack auf Hauptstadtalltag
Gegen den ersten „Großen Zapfenstreich“ der Bundeswehr im Zusammenhang mit der Verabschiedung der Westalliierten darf im Bezirk Mitte nicht demonstriert werden. Die für morgen 18 Uhr angemeldete Demonstration der „AG Zapfenstreich“, einem Bündnis linker Gruppen und der „AG Junge GenossInnen“ in der PDS, vom Roten Rathaus zum Brandenburger Tor wurde verboten. Das verfügte gestern der polizeiliche Staatsschutz. Darüber hinaus wurde die Umgebung des Brandenburger Tors innerhalb eines Radius' von 1.500 Metern zur demofreien Zone erklärt. Zur Begründung führten die Staatsschützer an, daß es sich bei der Fackelzeremonie der Bundeswehr „um einen Staatsakt von herausragender staats- und völkerrechtlicher Bedeutung“ handle (siehe nebenstehende Dokumentation).
Sowohl das Demobündnis, die Berliner Grünen als auch die PDS protestierten gestern gegen das Verbot. Unter Hinweis auf Äußerungen von Innensenator Dieter Heckelmann und CDU-Fraktionschef Klaus Landowsky, die von den erwarteten Demonstranten als „Randalierer“, „Störer“ und „Pöbel“ sprachen, erklärte der Geschäftsführende Ausschuß der Grünen gestern, das Demonstrationsrecht sei ein „elementares demokratisches Grundrecht“, das zu verteidigen die Aufgabe aller Demokraten sei. Mit ihren Äußerungen hätten sich Heckelmann und Landowsky „außerhalb dieses demokratischen Konsenses“ gestellt. Die PDS verwies auf ähnliche „Tiraden“, die 1967 zum Attentat auf Rudi Dutschke geführt hätten. In einer Presseerklärung aus dem Bundesvorstand der Partei wurde die Notwendigkeit eines „konsequent gewaltfreien“ und „antimilitaristischen“ Protests bekräftigt. Die „AG Zapfenstreich“ kritisierte, daß das flächendeckende Verbot vorwegnehme, was in der „Hauptstadt Berlin“ alltäglich werden solle. Die Veranstalter, die etwa 3.000 DemonstrantInnen erwarten und weiterhin zum geplanten Demoauftakt am Roten Rathaus mobilisieren, haben inzwischen gegen das Demoverbot eine einstweilige Verfügung beim Verwaltungsgericht beantragt. Eine Entscheidung stand bei Redaktionsschluß noch aus.
Bereits am Tag zuvor war die geplante Demo Thema im Innenausschuß des Abgeordnetenhauses. Innensenator Heckelmann, der die Proteste zum Anlaß genommen hatte, in ungewöhnlicher Manier die PDS als Handlanger militanter Linksextremisten zu bezeichnen, bekam Unterstützung auch von der SPD. Deren innenpolitischer Sprecher Lorenz signalisierte durch seinen indirekten Vergleich zwischen Pflastersteinen und Trillerpfeifen Heckelmann Zustimmung für entsprechende Polizeieinsätze. Insgesamt 5.000 Beamte aus Berlin und fünf weiteren Bundesländern sowie Einheiten des Bundesgrenzschutzes werden nach Angaben der Polizei am Donnerstag im Einsatz sein. Am Brandenburger Tor, das weiträumig abgesperrt wird, sollen auf eigens errichteten Tribünenplätzen 17.000 geladene Gäste, darunter auch Regierungsvertreter der Westalliierten, der vom Stabsmusikkorps der Bundeswehr und dem Bonner Wachbataillon bestrittenen Zeremonie beiwohnen. Der Höhepunkt ist für 21.30 Uhr vorgesehen. Dann soll das Brandenburger Tor ganz im Schein der Fackeln stehen. Selbst das Benutzen von Blitzlichtern ist dann untersagt.
Bereits am Mittag werden der französische Ministerpräsident Francois Mitterand, der britische Premier John Major sowie US-Außenminister Warren Christopher auf Einladung von Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) im Schloß Charlottenburg empfangen. Anschließend steht ein Besuch des Luftbrückendenkmals sowie ein Festakt im Schauspielhaus am Gendarmenmarkt auf dem Programm. Den Weg der Autokonvois überwachen Scharfschützen auf den Dächern. Die Straßen entlang der Protokollstrecken werden bis in den späten Abend weiträumig abgesperrt. Uwe Rada
Siehe auch Seite 20
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