Krach in Italiens „Lega nord“

■ Parteipräsident Franco Rocchetta ausgeschlossen

Rom (taz) – Ein politisches Erdbeben war es wohl nicht, aber doch ein deutlicher Krach in Italiens „Lega nord“, jenem ursprünglich sezessionistischen, mittlerweile brav zentralistisch mitregierenden Nordstaatlerbund: Mit großer Mehrheit hat der Föderationsrat der Lega den Präsidenten der Vereinigten Ligen, Franco Rocchetta, aus der Partei ausgeschlossen. Ebenfalls hinausgeworfen wurde Rocchettas Frau, die Europaabgeordnete Marilena Marin, und der Deputierte Vittorio Alibrandi aus Padua. Alle drei hatten sich nach Auffassung des Liga-Zentralorgans parteischädigendes Verhalten zuschulden kommen lassen.

Tatsächlich ging es wohl um den letzten, nun fehlgeschlagenen Versuch Rocchettas, seinen schon seit mehr als einem Jahr schwelenden Konflikt mit dem Generalsekretär der Ligen, Umberto Bossi, noch in eine Spaltung der Bewegung umzusetzen.

Die Funktion des Parteipräsidenten hat in Italien kaum politisches Gewicht; zudem war Rocchetta vor einem Jahr nur deshalb ins Amt gekommen, weil Bossi damals noch um den Wahlerfolg bangte und auch um die paar Prozent kämpfte, die Rocchetta aus Veneto mitbrachte – das seit jeher Mailand skeptisch gegenüber stand.

Gelegenheit zum Aufstand schien sich für Rocchetta vorige Woche zu bieten, als Bossi in entspannter Strandatmosphäre einige recht abenteuerliche Räuberpistolen erzählte und diese, von einem Filmamateur mitgeschnitten, dann auch noch über die Fernsehschirme flimmerten. Da war von 300.000 bewaffneten Männern die Rede, die 1986 in der Provinz Bergamo zum Aufstand gegen Rom bereitgestanden hätten – was schallendes Gelächter zur Folge hatte, zählt die gesamte Provinz doch nicht einmal eine Million Einwohner. Dann wieder gab er seine Version des Mordes am Mafia-Ermittler Falcone zum besten, und schließlich behauptete er – ohne es beweisen zu können – auch noch, daß Berlusconi dabei sei, mit Staatspräsident Scalfaro Neuwahlen zu vereinbaren. Rocchetta sprach daraufhin von „Delirien“, die Bossi offenbar periodisch überkämen, und daß es besser sei, ihn schnell abzuwählen.

Bossi schlug zurück, stellte sofort sein Mandat zur Verfügung – und brachte so auch die kritische Minderheit zum Schweigen, die ihn zwar als unberechenbaren Polterer verabscheuen, aber ohne ihn keinerlei Zukunft für die Ligen mehr sehen.

Langfristig aber steht hinter dem Ausschluß Rocchettas wohl eine weitsichtigere Strategie Bossis: Der Parteipräsident hatte allzu eng mit Ministerpräsident Berlusconi angebandelt und träumte bereits offen von einem Zusammenschluß der Forza Italia mit den Ligen. Eine Vorstellung, die für Bossi so etwas wie das Weihwasser für den Teufel darstellt. Mit dem Ausschluß ist dieser Plan jedenfalls vorerst vom Tisch. Werner Raith