Der andere, weil eigene Blick

■ Das Metropolis zeigt ab 10. September vietnamesische Filme über das Land und den Krieg

Im Januar 1973 wurde der letzte US-Soldat aus (Süd)vietnam abgezogen. Nach fast zehn Jahren war damit die aktive Beteiligung der USA beendet. Der Krieg jedoch nicht – erst im April 1975 kapitulierten die südvietnamesischen Truppen.

Nur wenige Jahre später enstanden erste Spielfilme, die sich mit dem Vietnamkrieg beschäftigten, wie „Apocalypse Now“ oder „Die durch die Hölle gehen“. So unterschiedlich die thematischen Schwerpunkte, hatten die Filme eins gemeinsam: Sie zeigten den Krieg und dessen traumatisierende Wirkungen nahezu ausschließlich aus US-amerikanischer Sicht. Die Hollywood-Produktionen zeichneten ein extrem einseitiges Bild: Vietnam und seine Bewohner waren nur Kulisse – mehr nicht.

Daran hat sich bis heute nur wenig geändert. Eine Ausnahme: Oliver Stones „Zwischen Himmel und Hölle“, der nach „Platoon“ und „Geboren am 14. Juli“ letzte Teil seiner Vietnam-Trilogie. Dabei gab es schon immer vietnamesische Filme über Vietnam, nur wurden sie in Europa oder den USA kaum zur Kenntnis genommen.

Sozusagen als Gegengewicht zeigt das Metropolis vom 10. bis 26. September neun Spielfilme über und aus dem ostasiatischen Land. „Wir wollen beweisen, daß Vietnam mehr ist als ein einziges Schlachtfeld“, erklärt Hans-Arthur Marsiske, der zusammen mit Karin Liebe die Reihe zusammenstellte. Mehrere Wochen waren die beiden 1992 in Vietnam, um geeignete Filme auszuwählen. Beinahe vergeblich, denn ohne die Hilfe der niederländischen Gate Foundation, die vor einem Jahr ein Vietnam-Filmfestival veranstaltet hatte, hätte es nicht geklappt. „Sie haben uns ihre Kopien mit englischen Untertiteln zur Verfügung gestellt“, freut sich Marsiske. Und darüber, daß sich auch die Kulturbehörde an der Finanzierung beteiligt, ist doch die Film-Reihe ein Teil des Kulturprogramms der „Vietnam Tage Hamburg“.

Eröffnet wird die Reihe am Sonnabend mit „Wildes Land“. Regisseur Nguyen Hong Sen schildert in dem 1979 entstandenen Schwarzweiß-Film den Kriegsalltag einer dreiköpfigen Familie im Mekong-Delta. Das mehrfach prämierte Werk kommt ohne bluttriefende Gewaltszenen aus und macht dennoch deutlich: Auch auf vietnamesischer Seite wurde gelitten. Vor allem aber beläßt Sen seinen Landsleuten ihre Identität. Die Menschen werden nicht – wie in den US-Streifen – als amorphe, mal darbende, mal verderbende Massen dargestellt, sondern als das, was sie sind: Individuen.

So steht „Wildes Land“ zu Recht an exponierter Stelle. Quasi stellvertretend für die anderen Beiträge, die nicht alle vom Vietnamkrieg handeln, sondern vielmehr Einsichten in ein bis dato noch unbekanntes Land gestatten, zeigt der Eröffnungsfilm, daß der Blick von außen kein falscher, sondern nur ein unvollständiger ist. Ohne die vietnamesischen Vietnamfilme würde es uns wohl auch so ergehen, wie den GIs in „Wildes Land“: Die US-Soldaten fliegen immer und immer wieder in ihren Hubschraubern über das Delta und erkennen doch nichts. Clemens Gerlach

„Wildes Land“ wird am Sonnabend um 19.30 als eingesprochene Simultanübersetzung im Metropolis gezeigt. Als Gäste werden Luu Trong Hong und Nguyen Van Tinh vom vietnamesischen „Film Department“ erwartet.