Aids-Projekt gefährdet

■ Der Prenzelberger Selbsthilfegruppe für HIV-Positive fehlen 1995 150.000 Mark / Senat für Finanzloch verantwortlich

Die einzige Anlaufstelle für HIV-Positive in Ostberlin, das Selbsthilfeprojekt Pluspunkt, ist gefährdet. 1995 klafft im Budget des Prenzelberger Projektes eine Lücke von 150.000 Mark, immerhin ein Drittel des Gesamtetats. „Ohne das Geld bricht hier die Betreuung und Beratung zusammen“, befürchtet Projektleiter Eddy Schnalke.

Pluspunkt geht zurück auf die erste DDR-Positivengruppe, die 1989 auf Initiative der Sozialarbeiterin Ina Hermann an der Charité entstand. Aus den Sofarunden im privaten Kreis wuchs das Selbsthilfeprojekt mit viereinhalb festen Stellen und 60 ehrenamtlichen Helfern. Sie bieten dem überwiegend schwulen Publikum Unterstützung, wenn sich nach einem positiven Testergebnis Verzweiflung breit macht, beraten in sozialen Notlagen oder bei medizinischen Fragen. Im Café, das von ehrenamtlichen Kräften betrieben wird, können z.B. beim Regenbogenabendessen Kontakte geknüpft werden. Etwa 100 HIV-Positive nutzen das vielfältige Angebot regelmäßig, etwa 200 unregelmäßig. Allein die Zahl der Beratungsgespräche zu sozialrechtlichen Fragen hat sich seit 1992 verdoppelt.

Für das Finanzloch ist die Senatsverwaltung für Gesundheit verantwortlich. Als sie Ende 1993 mit den Berliner Aids-Projekten einen Vertrag aushandelte, wonach diese für die nächsten drei Jahre den Aids-Etat selbst verwalten, war bereits klar, daß für Pluspunkt zuwenig Geld eingeplant war. Seit Februar 1993 wußte die Senatsverwaltung für Gesundheit, daß das Projekt ab Mitte 1994 keine Gelder mehr aus dem Bundesmodellprogramm erhält. Der fehlende Betrag wurde dennoch für 1995 und 1996 nicht ausgeglichen.

„Wenn man es gutwillig sieht, ist da eine Panne passiert“, stellt der Vorsitzende des Gesundheitsausschusses, Hans-Peter Seitz (SPD), fest. „Das muß rückgängig gemacht werden.“ Er will sich für das Projekt einsetzen.

Gesundheitssenator Peter Luther (CDU) bescheinigt Pluspunkt eine „engagierte Arbeit“. „Die sind notwendig, gerade im Osten.“ Doch er pocht darauf, daß der fehlende Betrag durch Umschichtungen innerhalb des Sechs-Millionen-Mark-Topfes ausgeglichen wird, den seit Anfang des Jahres der Landesverband der Berliner Aids-Selbsthilfegruppen (LaBAS) verwaltet. Doch das weist LaBAS- Vorstandsmitglied Dieter Telge zurück: „Es gibt keinen Spielraum für eine Umverteilung in dieser Größenordung.“ Das Loch bei Pluspunkt ließe sich nur stopfen, wenn das Geld bei anderen Projekte abgezwackt wird. „Die anderen Projekte sind nicht bereit, ein Problem zu lösen, das uns der Senat aufgedrückt hat“, sagt Telge. „Das gefährdet die Akzeptanz des Vertrages bei den Aids-Projekten.“ Diese fordern, der LaBAS- Vorstand solle nachverhandeln.

Auch für Aids-Projekte war die Finanzlücke vorhersehbar. Nur „notgedrungen“ hätten sie den Vertrag unterschrieben, so Telge. Denn damit waren die Mittel für drei Jahre gesichert und die Aids- Projekte vor Kürzungen bewahrt. Auch Pluspunkt stimmte damals zu, „um nicht die Arbeit der anderen Projekte zu gefährden“, so Schnalke. Jetzt steht Pluspunkt selbst auf der Kippe. Das Projekt will im September mit einer Podiumsdiskussion, einem Benefiz- Konzert und einer Demo (siehe „Gut zu wissen“) Druck machen. Dorothee Winden