: Geheime Verhandlungen zwischen Israel und Irak?
■ Iraks Vizepremierminister bestreitet geheime Kontakte zwischen Bagdad und Jerusalem, doch einiges spricht dafür, daß der gewiefte Politiker es besser weiß
Tel Aviv (taz) – Seit der Unterzeichnung des Kairoer Autonomie-Abkommens zwischen Israel und der PLO im Mai gibt es Gerüchte über diskrete diplomatische Kontakte zwischen Israel und Irak. Das Rumoren ist mittlerweile so laut geworden, daß sich der irakische Vizeregierungschef Tariq Asis genötigt sah, Kontakte zu zwischen Jerusalem und Bagdad zu dementieren. In einem Beitrag für die gestrige Ausgabe der in London erscheinenden Zeitung Al- Quds al-Arabi (Das arabische Jerusalem) schrieb er, entsprechende Vermutungen entbehrten jeglicher Grundlage. Vieles spricht jedoch dafür, daß der gewiefte Diplomat seinen Text wider besseres Wissen verfaßte. Schließlich hatte Asis die Gerüchte selbst im August durch Reisen nach Marokko und Jordanien bestärkt. Beide Staaten sind schon öfter als geheime Vermittler zwischen arabischen Staaten und Israel aktiv geworden.
Iraks Staatschef Saddam Hussein setzt alles daran, die seit dem Überfall auf Kuwait vor vier Jahren über sein Land verhängten UN-Sanktionen loszuwerden. Die US-Regierung besteht auf der Aufrechterhaltung des Embargos. Eine wachsende Anzahl von Regierungen betrachtet das Handelsverbot mit Irak jedoch als eine verlustreiche Bestrafung jener Länder, die früher enge wirtschaftlichen Beziehungen zum Irak pflegten. Hussein hofft allem Anschein nach, durch eine Annäherung an Israel den Einfluß der israelischen Lobby in den USA für seine Interessen nutzbar zum machen.
Auch in Israel verspricht man sich von Kontakten zum Irak bis hin zur Einbeziehung des Erzfeindes in den Friedensprozeß Vorteile. Jordanien hat aufgehört ein potentielles Aufmarschgebiet für Israels Feinde im Osten zu sein. Die bevorstehenden Friedensverhandlungen zwischen Israel und Syrien werden ein weiteres Glied aus der Kette der arabischen „Konfrontationsstaaten“ reißen. In der weiteren Peripherie blieben dann nur noch Irak und Iran als Feinde übrig. Nachdem sich Israel und die PLO auf ein Teilautonomieabkommen geeinigt haben, fällt jedoch der Palästinakonflikt als wichtigster Grund der Feindschaft zwischen Irak und Israel weg. Israel hat keine Grenzkonflikte mit dem Staat am Tigris und Euphrat. Territoriale Forderungen oder Streit um Wasserquellen und Bodenschätze gibt es nicht.
Der irakische Markt ist für Israels Exporteure von großem Interesse. Nach einer Reparatur der alten Ölleitung, die einst den Irak mit der israelischen Hafenstadt Haifa verband, könnte Israel irakisches Öl für den Eigenbedarf beziehen und als Terminal für dessen Verschiffung dienen.
Israelische Befürworter einer Verständigung mit dem Irak meinen, daß diese auch die syrische Verhandlungsposition gegenüber Israel verschlechtern würde. Darüber hinaus wäre eine Verständigung mit dem Irak ein wichtiger Schlag gegen den Iran. Die Islamische Republik wird von israelischen Politikern unisono als Quelle allen Übels dargestellt, die es international soweit als möglich zu isolieren gilt.
Einer israelischen Annäherung an den Irak steht vor allem der Widerstand der US-Regierung entgegen. In Washington werden alle Maßnahmen abgelehnt, die den Irak aus der Isolation befreien. Die israelische Regierung kann es sich jedoch nicht leisten, eine Politik zu betreiben, die im Widerspruch zur US-amerikanischen steht. Israelische Diplomaten versuchen daher, die US-Regierung davon zu überzeugen, daß eine Einbeziehung Iraks in den Nahost-Friedensprozeß den US- Interessen nur nützen könne. Der Vorsitzende der arabischen „Demokratischen Partei“ und Knessetabgeordnete Abdel Wahab Darhausche reiste letzten Monat nach Washington, um US-Politikern einen Irak-Kontaktplan schmackhaft zu machen. Darausches Parlamentsfraktion steht der israelischen Arbeitspartei nahe. Die „Demokratische Partei“ ist zwar nicht an der Regierungkoalition beteiligt, hat sich jedoch verpflichtet, diese zu unterstützen. Darausche Plan sieht vor, eine israelische Delegation nach Bagdad zu schicken. Die Gruppe soll sich aus zehn israelischen Arabern und zehn Juden zusammensetzen. Die Personen hat sich Darausche bereits ausgeguckt, und alle haben auch zugesagt. Unter den jüdischen Teilnehmern sind auch einige aus dem Irak eingewanderte Israelis. In Washington diskutierte Darausche das Projekt mit Nahostexperten im US-Außenministerium und dem israelischen Botschafter. In New York soll er mit dem irakischen UN-Botschafter Nizar Hamdoon zusammengetroffen sein. Darausche betont, daß ohne die Einbeziehung des Irak, eine umfassende Lösung des Nahostkonflikts nicht möglich sei. Die von ihm organisierte Delegation hätte in Bagdad die Aufgabe, Gespräche über die Bedingungen für die Aufhebung der UN-Sanktionen und die Beteiligung Iraks am Friedensprozeß zu führen. Des weiteren sollten die Israelis mit Vertretern der kleinen jüdischen Gemeinde im Irak zusammentreffen. Amos Wollin
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen