piwik no script img

Frauen im HipHop-Fieber

Feminine HipHop-Kultur? Female Rap Attack No.1 in Berlin wird's zeigen  ■ Von Annette Weber

Jetzt sind sie zu hören und zu sehen, die Frauen im HipHop, auf dem ersten Frauen-Musik- Jam „Female Rap Attack No.1“ in Berlin. Das Spektrum reicht von der konservativeren Lehrerinnenschiene bis zum Welt-Umarmungs-, Peace- und Happiness- Programm: Cora E., deren orthodoxe Old-School-HipHop-Definition an die Zeigefingerpredigten von Public Enemy erinnern; Mansha, die mehr der Leichtigkeit von Arrested Development folgt, und Luana, die zwischen den Musical-Einlagen im Yo-Yo-Stil und den Anti-Drogen-Raps auf Schwyzerdütsch wechselt.

Ob sich weibliche Rapperinnen genauso gegenseitig abschießen und Battles liefern, wie das bei ihren männlichen Kollegen immer heftiger der Fall ist, oder ob sie sich im Freestyle eher die Bälle zuwerfen, bleibt abzuwarten. „Nein, ich hatte keine Probleme als Frau, eher im Gegenteil, wahrscheinlich hatte ich es leichter. Die Jungs haben mir immer alles erklärt, weil sie das schon länger machten und besser konnten. Es gibt da keine Benachteiligung im HipHop, und wenn, dann sind die Frauen auch selbst daran schuld.“ Cora E. (E. wie Einzelkämpferin) sitzt im Hinterzimmer eines Auftrittsortes, um sie herum Scharen kapuzenbestückter, Nike- beschuhter superjunger Jungs, Mütze von Stüssy, Hose von Karl Kani.

Sie, das „ganz normale Mädchen“, das sich wie viele der aktiven Frauen höchstens dem Uniformzwang zu langen Haaren unterordnet, sie hat es geschafft und wundert sich irgendwie gar nicht, daß außer ihr sonst keine mehr da ist. Für sie sind Frauen im HipHop ganz offenbar keine Ausnahmen und Besonderheiten mehr, sie machen nichts Außergewöhnliches dabei.

Jetzt, fünfzehn Jahre nachdem die Grand Dame des HipHop, Sylvia Robinson mit dem Sugarhill Label, einer Plattenfirma für Rap, den „CNN der schwarzen Bevölkerung“ (Chuck D, Public Enemy) ans Netz gebracht hat, und zehn Jahre nachdem in Deutschland die ersten HipHop-Frauen aktiv wurden, mit Marker ihre tags hinterließen und sich als DJs und ans Mikro trauten – jetzt macht das HipHop- Ding eine generöse Ausnahme und läßt die Breakerinnen, Writerinnen, die weiblichen DJs und MCs ran.

Mansha, die 1984 die ersten Texte der Sugar Hill Gang abschrieb und das Rappen übte, mit siebzehn im schwarzen GI-Club „Chick“ DJ wurde, wo sie bei den abendlichen Freestyles zum öffentlichen Vortrag kam, ist eine der bekanntesten. 1992 verließ sie die HipHop-Szene wegen einer fiesen, bis ins Privatleben reichenden Schlammschlacht der HipHop-Familie gegen sie, und kommt heute mit der jungen MC Denise zurück.

Cora E. kommt ebenfalls vom Freestyle, dem spannendsten, anstrengendsten und unkommerziellsten Arm des Raps. Beim „Freistil“ nimmt die Rappende ein Wort aus dem Publikum auf und macht es zur Basis eines spontan erfundenen Monologs oder inszeniert eine Battle, in der das Mikro hin- und hergereicht wird und man sich auf das zuvor Gesagte bezieht. Zum Freestylen bedarf es, außer einer enormen Sprachgewandtheit, guter Szenekenntnisse, da die kleinen Pointen immer darin bestehen, Anekdötchen zu verbreiten oder Episoden aus dem Leben der anderen aufzugreifen.

Die Besetzung des „Female Rap Attack No.1“ ist nicht nur musikalisch heterogen. Luana aus Basel, die mit dem Anti-Drogen-Projekt „Wake Up“ und ihrem Rap „Give it up“ weit über die Kantongrenzen hinaus bekannt wurde, ist in der Schweiz zum Medienstar avanciert. Die Rapperin, Soulsängerin, Graffiti-Writerin ist Bestandteil eines Films („Babylon2“), der die spezielle Situation ausländischer Kinder in der Schweiz analysiert, die bereits in der zweiten oder dritten Generation dort leben.

Zora und Curly, beide Luzernerinnen und als Sprayerin, MC und DJ auf dem Jam, sind Redakteurinnen beim HipHop-Magazin Make it better. Zora nennt Curley ihre „musikalische Inspirationsmuse“. Die beiden haben dort so etwas wie eine Art Frauen-im-HipHop-Vernetzungszentrale aufgemacht und befragen alle möglichen aktiven HipHopperinnen. MC Shanell und ihre Freundin Anna kommen aus Berlin, und Sprayerin Micky aus Holland.

Mansha glaubt an eine „frauliche“ Eigenheit der Aktivistinnen, die anderen sind eher unentschieden. Trotzdem sehen sie im Graffiti-Stil, im eklektizistischeren, unbeschwerteren Umgang mit der Musik und in den weniger angeberischen Texten schon einen andern Umgang von Frauen mit HipHop- Kultur. Also gesprayte Graffiti nur in Pastell und mit netten B-Girls statt des Fly-Girl-Charakters mit Riesenbrüsten und kurzen Shorts?

Bleibt die Frage, ob es eine eigene feminine HipHop-Kultur wirklich gibt, eine Art der Kommunikation, die innerhalb der marginalisierten Frauengruppe im HipHop funktioniert. Oder fällt jeder Anflug von Anderssein, Peinlich- und Lautsein dem Zensurmonster HipHop Family, der Stil- Polizei oder dem „Ich trau mich nicht“ zum Opfer?

Mit „Enthusiasmus For HipHop“ verschreibt Luana den Frauen mehr Aktivität. Und Mansha gibt den Aufruf weiter: „Als Frau im HipHop hast du doch als allererstes dir selbst gegenüber die Verantwortung, dein ,Weib- Sein‘ zu leben und nicht das Männerschema mitzumachen. Denn das ist doppelter Beschiß. Da denkst du, daß du dich in der Szene durchgesetzt hättest, aber dann bringst du im Endeffekt die gleiche Show wie die Jungs. Nur weil der Großteil der Mannsbilder im HipHop eine neurotische Minuseinstellung gegenüber Frauen hat, heißt das doch nicht, daß wir deshalb zu hippenden, geschlechtslosen Wundermaschinen werden müssen.“

Bei den meisten Unterhaltungen mit HipHopperinnen wird allerdings klar, daß die Pose, die Identifikation mit der Gruppe, vorgeht und eine geschlechtsspezifische Identifikation eher als Bremse angesehen wird. Cora E. macht ihre Zugehörigkeit an der HipHop Community fest, wenn sie reimt:

„[...] Trotz verschiedener Sprache herrscht Verständigung.

Egal woher du kommst,

HipHop gibt dir Asyl,

HipHop gibt dir ein Ziel,

macht deine Ideen mobil.“

Doch schon das Angebot für weibliche Rollenmodelle im HipHop ist kläglich. Da gibt's die niedliche, seilhüpfende Rock Steady Crew oder We Pappa Girl Rappers und ihr „We rule“, die mit Unterstützung der ersten Ghettoblaster das Seilhüpfen zum Breakdance erklärten und vom Schulfreundinnenimage lebten. Oder die den Macho imitierende Gangsta-Rapperin, wie etwa Bo$$, die auf ihren Plattencovern mit einer fetten Halbautomatikknarre und kugelsicherer Weste rumsteht. Rapperinnen, die auf soziale Mißstände und politische Unstimmigkeiten hinweisen, wie etwa Queen Latifah oder Sister Souljah (die mit im Public-Enemy-Informationsministerium saß), werden nur so weit mitgetragen, solange sie den gemeinsamen Kampf der schwarzen Community artikulieren. Eine rein feministische Rapperin hingegen hätte keine Credits, keinen Respekt zu erwarten.

Was sonst noch an Weiblichkeitskonstruktionen im Rap und HipHop übrigbleibt, ist die breite Spur der G-String-Slip-Trägerinnen, die sich von N.W.A bis zum neuen Ice-Cube-George-Clinton- Video zieht. Gruppen wie Bitches with Problems und Hoes with Attitude übernehmen diese Rolle und scheinen sie mit Goldbikini und Pelzmantel schon fast perfekt zu persiflieren.

Ihnen selbst geht es mehr um den Spaß am glamourösen bitch- Sein als darum, mit ihrem Auftreten der misogynen männlichen Rappergemeinde die Projektionsfläche zu versauen. Auch wenn sie sich in Stücken wie „2 Minute Brother“ über geschwindigkeitsfetischistische Potenzprahler beklagen.

HipHop begann in den USA auf Straßen und Schulhöfen, an jeder Ecke dröhnte ein Ghettoblaster, und das Mikro wechselte zwischen den Kiez-Kids hin und her. Natürlich hatten dabei auch Mädchen ihre Geschichte zu erzählen oder ihr lautes Mundwerk und andere Vorzüge anzupreisen. Durch Filme wie „Wildstyle“ kam die Kultur dann Mitte der Achtziger auch zu den deutschen Kids. Gerade beim HipHop, wo teure Geräte genausowenig Voraussetzung sind wie Studios, Stimmausbildung oder die Beherrschung eines Instruments, niedrigschwellige Jugendaktivität also, könnte mit mehr Frauen gerechnet werden. Wir wollen euch hören, wollen euch sehn!

Female Rap Attack No.1, am 9.9. im Yaam Club in Berlin; ab 19.00 Uhr sprühen die Sprayerinnen Mickey aus Holland, Zora aus der Schweiz und Shanell aus Berlin, danach rappen Shanell mit Anna, Zora und Curly, Luana, Mansha mit Denise und Band und Cora E.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen