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Schleichende Zwangsassimilierung

Urteil gegen fünf griechischstämmige Albaner ist nur Symptom des Mißtrauens, das sich zwischen Athen und Tirana gebildet hat / Beide Seiten destabilisieren die Balkanregion  ■ Aus Wien Karl Gersuny

Daß sowohl Griechenland als auch Albanien auf dem Balkan eine Politik der „Destabilisierung“ betreiben, steht für Bujar Bukoshi fest. „Beide Staaten koordinieren ihre feindlichen Aktivitäten“, so der Exil-Premier des serbisch besetzten Kosovo, „um dem albanischen Volk seine Freiheit zu nehmen“. Daß Bukoshi am Mittwoch die Verurteilung von fünf Angehörigen der griechischen Minderheit Albaniens dennoch begrüßt, erscheint jedoch nur auf den ersten Blick paradox. Denn der albanische Politiker, der für die Forderung nach mehr Autonomie für seine Landsleute im Kosovo selbst lange in jugoslawischen Gefängnissen saß, will nicht verstehen, daß die griechische Minderheit in Albanien für sich genau das gleiche verlangt.

Dabei liegen die Ähnlichkeiten zwischen den beiden Minderheiten auf der Hand: Ganz wie die rund zwei Millionen Kosovo-Albaner in Serbien fühlen sich auch die 150.000 Griechen in Albanien einer schleichenden Zwangsassimilierung ausgesetzt. Und ähnlich wie die Extremeren unter den albanischen Griechen sehen auch manche Kosovo-Albaner seit Beginn des Krieges in Bosnien-Herzegowina nur noch eine Möglichkeit, dem Terror der Mehrheitsbevölkerung zu entkommen: durch den Anschluß an das Mutterland. Zwar zählt Bukoshi nicht zu diesen Radikalen; nach wie vor hofft der Exilpremier darauf, daß Belgrad durch internationalen Druck gezwungen werden kann, die Rechte seines Volkes zu respektieren. Doch zu einem Protest gegen die Unterdrückung der Griechen in seinem Mutterland reicht es nicht. „Die albanischen Griechen werden von Athen gegen Tirana aufgestachelt“, meint Bukoshi, „ihre Führer stecken mit dem Geheimdienst unter einer Decke.“

Derartige Gerüchte machen derzeit inner- und und außerhalb Albaniens die Runde. Nachdem Athen im Bosnienkrieg Partei für Belgrad bezogen habe, heißt es, sei der serbische Geheimdienst auf die griechischen Kollegen mit der Bitte um eine „Destabilisierung“ Albaniens herangetreten. Dafür seien die verurteilten Vertreter des Kulturverbandes „Omonia“ eingesetzt worden – als eine Art „fünfte Kolonne“. Einige Grenzzwischenfälle entlang der serbisch-albanischen und der griechisch-albanischen Grenze in den letzten Monaten wirkten dabei wie Wasser auf den Mühlen der nationalen Propagandisten. So waren mehrere illegale albanische Grenzgänger von Grenzzsoldaten angeschossen worden, was die Regierung in Tirana veranlaßte zu behaupten, griechische und serbische Wachposten seien auf albanisches Territorium vorgedrungen und hätten „mutmaßlich“ von der Schußwaffe Gebrauch gemacht. Daß diese Anschuldigungen bisher von keiner einzigen unabhängigen Quellen bestätigt wurden, stört offenbar niemanden.

Doch eine andere Entwicklung versetzt das offizielle Tirana in echte Panik: die Massenabwanderung der heimischen Bevölkerung auf der Suche nach einer besseren Zukunft fern der Heimat. So leben derzeit zwischen 300.000 und 400.000 Albaner in Griechenland. Letztlich sind die Migranten zwar für beide Balkanstaaten bedeutend: Tirana braucht ihre Geldüberweisungen, um die maroden Staatsbetriebe zu sanieren und das private Kleingewerbe nach 45 Jahren Kommandowirtschaft anzukurbeln, und Athen kann auf die billigen Arbeitskräfte bei der Apfelsinen- und Olivenernte nicht verzichten.

Gleichzeitig sieht Tirana in den Migranten einen Trumpf in der Hand der griechischen Regierung, da Athen die Einwanderer jederzeit abschieben oder die Grenzen zum nördlichen Nachbarn einfach ganz schließen könnte. Beides könnte für Präsident Sali Berishas ernsthafte Probleme bringen, weshalb er glaubt, mit einem eigenen aggressiven Nationalismus den fremden Einfluß im Lande eindämmen zu können.

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