piwik no script img

CDU in Sachsen-Anhalt schmollt

■ Erste Regierungserklärung von SPD-Chef Höppner / CDU lehnt auch punktuelle Zusammenarbeit mit Rot-Grün ab

Magdeburg (taz) – Der CDU- Oppositionsführer im Landtag von Sachsen-Anhalt, Christoph Bergner, hat Ministerpräsident Reinhard Höppner offenen Wählerbetrug vorgeworfen. Ohne den Wählerauftrag zur Bildung einer großen Koalition auch nur ein einziges Mal ernsthaft zu prüfen, habe sich Höppner „im blinden Machtrausch auf das Experiment einer rotgrünen Minderheitsregierung eingelassen und diese auf Gedeih und Verderb der Duldung durch die PDS ausgeliefert“. Die SED- Nachfolgepartei werde ihren Preis für die Duldung der Minderheitsregierung von Mal zu Mal höherschrauben, orakelte Bergner.

Bergner bezeichnete Höppners Aufforderung an die CDU, die rotgrüne Minderheitsregierung im Landtag in Sachfragen punktuell zu unterstützen, als zynisch und naiv. „Wir lassen uns jetzt nicht in die politische Mithaftung für ein rotgrünes Minderheitsbündnis nehmen, das ansonsten mit der PDS kooperiert“, sagte Bergner. Er schlug damit gezielt auf Höppners Schwachstelle ein. Denn der Regierungschef ging in seiner Regierungserklärung nicht mit einem einzigen Wort auf sein Verhältnis zur PDS ein und überließ so dieses bundespolitische Reizthema allein der CDU, die damit die Debatte nach der Regierungserklärung zur Wahlkampfschlacht umfunktionieren konnte.

Höppner stellte lieber die politischen Sachthemen seiner Regierung für die kommenden Jahre vor. Insbesondere in der Wirtschaftspolitik will er ökologische Akzente setzen. Die bislang einheitliche Investitionsförderung von 23 Prozent der Gesamtsumme soll künftig nur noch sehr differenziert bewilligt und ausgezahlt werden. Vor allem Investitionen in besonders strukturschwachen Gebieten will Höppner fördern. Überhaupt sollen mehr wirtschaftpolitische Kompetenzen von der Magdeburger Zentrale in die Regionen des Landes verlagert werden. Wichtig sei die industrielle Standortsicherung im Waggonbau und in der Chemieindustrie des Landes. Diese müsse dafür zukunftsträchtig und naturverträglich umstrukturiert werden. Dazu will die Regierung einen chemiepolitischen Dialog zwischen Unternehmen, Gewerkschaften, Verbänden und Wissenschaft initiieren und diesen mit einem eigenen Forschungsprogramm „Chemie 2000“ unterstützen. Ziel sei eine Hinwendung zur Kreislaufwirtschaft und eine ökologisch verträgliche Naturstoffchemie.

Sachsen-Anhalt ist das Land mit der höchsten Arbeitslosenquote in Deutschland. Demnächst sollen insbesondere arbeitslose Frauen und Jugendliche gefördert werden. „Schließlich haben wir doppelt so viele arbeitslose Frauen wie Männer, aber bei den Arbeitsämtern werden doppelt so viele Männer wie Frauen vermittelt.“ Im Sofortprogramm seiner Regierung hatte Höppner bereits ein Programm angekündigt, mit dem 5.000 Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen für Frauen geschaffen werden sollen. Auch die ersten Schritte zu einer langfristigen Ausbildungs- und Beschäftigungsgarantie für Jugendliche bis 21 Jahre sollen bald vorliegen. Eberhard Löblich

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen