: Räume für den Regenbogen
■ Anthroposophische Aids-Ini eröffnet Begegnungsstätte
Jeder, der schwer erkrankt ist, erlebt es: Mit seiner Krankheit steht man alleine da. Mitfühlende Verwandte, Besuche von Freunden – die Mauer zwischen sich und den anderen entsteht trotzdem. Weil die anderen von außen auf die Krankheit gucken, während man selbst sie erlebt. Anders sieht es aus, wenn Betroffene sich zusammenschließen und gemeinsam über ihre Krankheit sprechen. Dann fällt es leichter, auch Freunde in einen solchen Kreis einzubinden.
Ostern 1989 gründeten HIV- Positive und deren Freunde den Verein „Der Regenbogen“, eine Aids-Selbsthilfegruppe auf anthroposophischer Grundlage. Zehn Personen wagten damals den Versuch, die Krankheit Aids mit anthroposophischen Therapien zu verbinden. Zunächst lasen sie Texte zur Krankheit. Dann beschlossen sie, mehr als ein Gesprächskreis zu sein. Ein eigenes Hospiz steckten sich die Leute vom Regenbogen als Fernziel.
Eine Begegnungsstätte ließ sich leichter verwirklichen: In diesem Jahr hat es mit den Räumen geklappt. In einer Ladenwohnung in Schöneberg, über deren Tür zur Zeit noch eine Schrift für „Holz und Kohlen“ wirbt, eröffnet der Verein am 29. September ab 16 Uhr seine Räume. Seit Juni aber finden dort schon kleinere Treffen statt, der wöchentliche Lese- und Gesprächskreis etwa oder Einzeltherapien.
Vorbilder für ihre Initiative hatten die Mitglieder des Regenbogens keine. Das Projekt ist wohl in dieser Art einmalig. Heileurythmie, aber auch Kunsttherapien sollen den Betroffenen helfen. „Als geistiger Hintergrund ist die Anthroposophie eine große Hilfe für unsere Arbeit“, sagt Holger Bahr, eines der Gründungsmitglieder. Neben den Therapien sei es genauso wichtig, Raum für Fragen zu lassen, so Bahr. „Wir wollen kein hektisches ,Her mit den Therapien!‘, sondern dem Problem Aids Raum geben, damit zunächst einmal Ruhe bei den Kranken und deren Freunden eintritt.“
Bahr hat in den vergangenen Jahren mehrere Erkrankte bis zum Tod begleitet. Eines hat er dabei mehrfach festgestellt: „Manche Kranke haben erstaunliche Wandlungsprozesse durchgemacht. Es ist schwer zu beschreiben, aber sie haben durch die Krankheit eine innere Freiheit gewonnen, nach der sie sich als Gesunde schon gesehnt hatten. Ein bißchen ist es so, als ob in dieser dramatischen Situation in der Auseinandersetzung mit Aids eine Lähmung verschwindet, die vorher auf den Menschen lag.“ Lennart Paul
Die Begegnungsstätte „Der Regenbogen“ in der Brunhildstraße 6, 10820 Berlin ist Dienstag- und Sonntagvormittag sowie Dienstag- und Samstagnachmittag geöffnet, Tel.: 784 31 26.
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