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In Erinnerung an die „guten alten Zeiten“

■ Über ukrainische Kommunisten und ihr ambivalentes Verhältnis zur Unabhängigkeit: Die KPU steht auch für eine erneuerte sowjetische Ukraine

Obwohl die Ideale des Kommunismus anscheinend ihre gesellschaftliche Akzeptanz verloren haben – aus dem politischen Leben der Ukraine ist der Kommunismus nicht verschwunden: Die Kommunisten stellen die größte Parlamentsfraktion und die Kommunistische Partei hat auch die meisten Mitglieder. Ihre Basis hat sie vor allem in den östlichen Regionen des Landes – jene, die überwiegend von Russen beziehungsweise von russischsprachigen Bewohnern oder Ukrainern mit schwach entwickeltem Nationalbewußtsein bewohnt werden. Dort leben auch sechzig Prozent aller Wähler – diese Region genießt besondere politische Bedeutung während der Wahlen. Die Parteikomitees haben in dieser Gegend nie ihre Aktivität eingestellt. Abhängigkeiten und Einflußmöglichkeiten blieben erhalten. Der Bürger muß auch weiterhin mit der Existenz der Partei rechnen – ganz wie zu sowjetischen Zeiten. Deshalb wählt er dann auch so, wie es ihm der Kolchosdirektor oder ein anderer wichtiger Vertreter der lokalen Macht befiehlt.

Nach der Auflösung der KPU im Jahre 1991 spalteten sich die Mitglieder in mehrere Fraktionen auf – als Spaltpilz diente das Verhältnis zur Unabhängigkeit der Ukraine. 1992 wurde das Verbot wieder aufgehoben, doch nicht alle ehemaligen Mitglieder traten wieder ein. Manche von ihnen, wie Iwan Dratsch oder Dmytro Pawlytschko sind inzwischen ganz von kommunistischen Ideen abgekommen und werden heute hin und wieder noch National-Kommunisten genannt. Auf der Parteienebene werden sie von der Gruppierung der Nationalen Wiedergeburt der Ukraine und der Demokratischen Partei der Ukraine repräsentiert.

Ähnlich erging es auch der Mehrheit der früheren kommunistischen Nomenklatura der Sowjetukraine. Viele haben ihre kommunistischen Ideen abgeworfen – einige, weil sie sowieso nie daran geglaubt haben, andere unter dem Eindruck von Glasnost und der Entdeckung der tatsächlichen Geschichte ihres Landes nach 1985. Sie bildeten die Grundlage für das, was man heute in der Ukraine die Partei der Macht nennt – vor allem Fabrikdirektoren, denen am Erhalt der bisherigen Wirtschaftsstrukturen – aber ohne kommunistische Ideologie – gelegen ist. Ihre Vertreter sind der Sieger der Präsidentschaftswahlen Leonid Kutschma und dessen unterlegener Gegner: Oleksander Moroz, Parteichef der Sozialisten. Die Sozialisten, die 1991 die verbotene Kommunistische Partei ersetzen wollten, unterscheidet nun kaum etwas von der neugegründeten.

Die neue KP steht für die Erneuerung der UdSSR, für einen ukrainischen Staat nach dem Vorbild der sowjetischen Ukraine. Innerhalb der Partei ist noch ungeklärt, ob ein neuer Staatenbund nach dem Vorbild der UdSSR entstehen soll, oder ob er so reformiert werden sollte, wie Gorbatschow das 1990 vorschlug. Daß die Forderung nach einer Rückkehr zur UdSSR in der Ukraine eine beträchtliche Zahl von Anhängern hat, folgt vor allem aus der durch die Wirtschaftskrise hervorgerufenen Nostalgie für die „guten alten Zeiten“. Die ukrainischen Kommunisten wollen die Wiederherstellung der sowjetischen Ukraine. Die russischen Kommunisten dagegen verbindet der Traum von der Errichtung eines Groß-Rußlands. Hier fließen nationalistische und kommunistische Ideen ineinander. Diese seltsame Allianz existiert in der Ukraine nicht und es gibt nichts, was darauf hinweisen würde, daß sich das ändern wird. Roman Krik, Warschau

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