: Er ist die ganz große Koalition
Gesichter der Großstadt: Der Ideologie- und Anzeigenverkäufer Tobias Oswald (30) schaffte den Sprung von der SEW über die PDS zur FDP ■ Von Uwe Rada
In der FDP eine politische Heimat zu finden, ist nicht einfach. Tobias Oswald hat es geschafft. Noch hat man dem gebürtigen Schwaben zwar kein Mandat für den Bundestag angetragen, aber mit dem Bezirksposten in Kreuzberg kann er vorerst zufrieden sein. Schließlich gibt es auch bei den Liberalen Mißgunst und Neid und so manchen, der nicht tatenlos zusehen möchte, wie ein ehemaliger Kaderkommunist auf der Klaviatur von Freiheit und Markt ebenso erfolgreich spielt wie einst auf der von Befreiung und Marx.
Tobias Oswald ist ein solches Multitalent. Zur Zeit verkauft der ehedem überzeugte Planwirtschaftler Werbezeiten für den privaten Nachrichtensender n-tv. Doch eigentlich kann er es nicht lassen, mit Ideologie zu handeln. „Das Profitprinzip“, gibt er sich geläutert, „ist historisch das einzige Prinzip, das sich bewährt hat, und nur der Liberalismus wird innovativ genug sein, Markt und Ökologie zusammenzubringen.“ Derart progressiv, fällt es ihm heute nicht mehr schwer, den Hauptfeind für den Standort Deutschland auszumachen. „Wenn die Gewerkschaften was zu sagen haben“, resümiert er seine marktwirtschaftlichen Einsichten, „hemmen sie jede Erneuerung des Gesamtbetriebs, weil sie gezwungen sind, die Behäbigkeitsinteressen der Belegschaft gegen die Modernisierungsinteressen des Betriebs zu vertreten.“
Es gibt einen Sinnspruch, über den jeder gelernte Linke bereits gelacht hat. „Wer mit achtzehn kein Kommunist ist, hat kein Herz, wer mit 30 noch immer Kommunist ist, hat keinen Verstand.“ Tobias Oswald hat beides, Herz und Verstand. Und er vereinigt in seiner bisherigen Biografie die ganz große Koalition: Als Vorsitzender der Aktionsgemeinschaft von Demokraten und Sozialisten (ADS), der Studentenorganisation des SED-Ablegers SEW, fing er vor der Wende an, war 1990 dann Wahlkämpfer für Gysis damals noch gar nicht so bunte Truppe, anschließend stellvertretender Verlagsleiter des Neuen Deutschland und landete schließlich bei den Freidemokraten.
Angefangen hatte alles mit den Raketen der Nato. Sein Herz begann, für den Frieden zu schlagen und, wie er sich erinnert, „für eine bessere Welt“. Schließlich für die ADS: „Die waren konstruktiv und effektiv“, erklärt er heute seinen Weg in die SEW und ihre Studentenorganisation. Zwar hatte auch Oswald Skrupel, zum Beispiel wenn es im Rahmen des „sozialistischen Mitgliederwettbewerbs“ darum ging, welche ADS-Gruppe den Weg zur „Massenorganisation“ am entschiedensten bestritt. Doch „durch Abstraktion“, schildert er mit der Selbstkenntnis eines abgebrochenen Psychologiestudenten, sei es ihm ein leichtes gewesen, seine „Hemmungen gegenüber dem kleinbürgerlich-sozialistischen Modell“ zu überwinden. Für seine innerparteilichen Gegner, die Vertreter der „Proletkult- Klassenkampf-Linie“, galt Oswald dennoch als Vertreter des Karrierismus und Sozialdemokratismus. Seiner Karriere freilich konnte das damals keinen Abbruch mehr tun. Rechtzeitig stellte er sich auf die Seite Gorbatschows und wurde 1988 hauptamtlicher Vorsitzender der Studententruppe, bezahlt aus Schwarzgeldern der sozialistischen Bruderpartei SED. „Ich war stolz, dazuzugehören und hofiert zu werden“, bezichtigt er sich im nachhinein der Eitelkeit.
Heute arbeitet Oswald mit Verstand. Noch vor kurzem tourte er im Wahlkampfteam des Berliner FDP-Vorsitzenden, Kreuzberger Direktkandidaten und derzeitigen Bundeswirtschaftsministers Günter Rexrodt. Ein Job, für den der Dreißigjährige, der selbst die Flügelkämpfe innerhalb der Liberalen nach kurzer Zeit hinter sich gelassen hat, prädestiniert war wie kein zweiter. Hatte sich Oswald doch gleich nach der Wende, wiederum rechtzeitig, von den hauptamtlichen SED-Freunden gelöst und sich im Wahlkampfteam der PDS getummelt. Dort hatte er die Aufgabe, „die Flugblätter so zu formulieren, daß sie nicht nach Stalinismus aussahen“. Ein Überzeugungstäter war er schon damals nicht mehr. Tobias Oswald hat seine Vergangenheit aufgearbeitet. Mit Hilfe der Psychologie und „der Hinterfragung autoritärer Strukturen, in die man sich freiwillig begibt, um sich hochzuarbeiten und Anerkennung zu finden“.
Doch nicht die Vergangenheitsdebatte war es, die ihn letzlich zum Liberalismus trieb, sondern wieder mal Genosse Zufall. Vor drei Jahren war er beim Neuen Deutschland fristlos gefeuert worden, „als vermeintlicher Treuhand-Spion“, wie er überzeugt ist. Der Anlaß: An einem späten Samstagnachmittag saß er mit einem Freund im Büro des Verlagschefs und guckte die „Sportschau“. Sein Pech: Der Freund war ausgerechnet jener Treuhandbeauftragte, der im Auftrag seiner Behörde ein Wirtschaftskonzept in Sachen Zukunft der Zeitung zu erarbeiten hatte. „Wenn die damals noch die Macht gehabt hätten“, meint er heute, „hätten die mich nicht nur gefeuert, sondern nach Sibirien geschickt.“ Ob er jenen Umstand letzten Endes bedauert hätte, ist seinem Tonfall nicht zu entnehmen. Auch in Nowosibirsk schließlich gibt es Dinge, die mit Herz und Verstand zu Markte getragen werden wollen.
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