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Ende eines Piratensenders

Illustre Investoren kämpfen um den polnischen TV-Markt  ■ Von Klaus Bachmann

Warschau (taz) – Kurz nach zehn Uhr morgens, wenn in den lokalen Vormittagsprogrammen jene amerikanischen Action-Serien und Seifenopern laufen, für die Polens Hausfrauen und Rentner den Privatsender „Polonia 1“ so lieben, verwandelte sich das Bild auf den Fernsehschirmen plötzlich in grauen Schnee. Staatsanwälte, Polizisten und Angestellte der staatlichen Radioagentur hatten in sechs Stationen des Senders die Geräte abgeschaltet und verplombt. „Polonia 1“ sendet zwar schon seit Jahren, aber ohne Lizenz und zum Teil sogar auf Frequenzen, die dem Militär vorbehalten sind.

Am nächsten Vormittag landete Nicola Grauso, faktischer Eigentümer der verplombten Stationen mit seinem Privatjet auf dem Warschauer Flughafen. Nach Beratungen mit Anwälten und Behörden erklärte er, er fühle sich von Polen verraten und verkauft und ziehe seine sämtlichen Investitionen ab. Es folgte eine von südländischem Temperament getragene Attacke gegen den Landesfernsehrat, der Grauso die Lizenz verweigert hatte, und düstere Drohungen, er werde ausländische Investoren vor Polen warnen.

Nicola Grauso, sardinischer Pressepotentat und Geschäftsfreund von Ministerpräsident Silvio Berlusconi, war 1990 nach Polen gekommen, lange bevor es ein TV-Gesetz gab. Er erwarb Mehrheiten an sechs lokalen Fernsehstationen, etlichen Privatradios und an der angesehenen Warschauer Tageszeitung Zycie Warszawy. Kurz darauf drückte er seinen TV-Stationen einen gemeinsamen, mehrstündigen Werbe- und Spielfilmblock mit Namen „Polonia 1“ auf, der aus den lokalen Stationen faktisch einen landesweiten Sender machte. Was da über den Äther kam, war überwiegend abgestandene Serienware aus dem Grauso-Fundus, die in Polen allerdings noch weitgehend unbekannt und bald entsprechend beliebt war, was schlicht auch daran lag, daß es wenig Konkurrenz gab.

Die entstand, als das Parlament mit jahrelanger Verzögerung das TV-Gesetz erließ, den Landesfernsehrat schuf und dieser begann, Konzessionen zu verteilen. Grauso ging leer aus, weil er schwarz gesendet hatte und auch mehr als die erlaubten 33 Prozent an seinen Stationen hielt. Die erste Lizenz erhielt Zygmunt Solorz, ein äußerst schillernder Geschäftemacher, der der Geldwäsche und verschiedener anderer halblegaler Aktivitäten verdächtigt wird (taz vom 11. 8.). Renommierte ausländische Bewerber hatten das Nachsehen, weil der Fernsehrat polnisches Kapital vorzog.

Polnisch ist das Kapital jenes Konsortiums, das nun Grausos Stationen kaufen will, aber auch nur auf den ersten Blick. Ein Drittel der Aktien hält eine Berliner Firma, ein anderes Drittel die Firma des früheren Finanzstaatssekretärs Grzegorz Zemek, gegen den ein Verfahren wegen Veruntreuung von Geldern in Millionenhöhe aus dem staatlichen Fonds für Auslandsschulden läuft.

Sechs weitere von Grausos Sendern funktionieren noch; ihnen soll es erst später an den Kragen gehen, weil sie nicht auf militärischen Frequenzen senden. Ein offenes Geheimnis ist allerdings, daß Grauso die Frequenzen mit stillem Einverständnis des Verteidigungsministeriums nutzte. Dessen Chef Kolodziejczyk gilt als Vertrauter von Präsident Lech Walesa, dem das staatliche Fernsehen nicht lobhudlerisch genug ist. Als die Staatsfunker seine wöchentliche, vom Präsidialamt selbstgedrehte Hofchronik in die späte Nacht verbannten, übernahm sie „Polonia 1“. Die Gegenleistung muß Walesa nun wohl schuldig bleiben.

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