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Senator Hardrath greift durch

■ Alle Verfahren gegen Polizisten werden neu geprüft / Die beiden Prügler waren doch im Dienst / Staatsanwältin im Zwielicht Von Kai von Appen

Alle 130 Strafverfahren, die in den vergangenen Jahren gegen BeamtInnen der Revierwache 16 eingestellt worden sind, sollen nochmals aufgerollt werden. Das hat Justizsenator Klaus Hardrath nach taz-Informationen gestern angeordnet. Die Staatsanwaltschaft wurde von ihm angewiesen, diese Fälle erneut zu prüfen. Hardrahts Sprecher Jürgen Weinert: „Es soll überprüft werden, nach welchen Kriterien diese Verfahren eingestellt worden sind.“ Außerdem soll die Staatsanwaltschaft alle Ermittlungsverfahren auflisten, die zuletzt in ganz Hamburg gegen Polizeibeamte geführt worden sind.

Mit dieser Maßnahme zieht der Justizsenator – im Gegensatz zu Innensenator Werner Hackmann – weitgehende Konsequenzen aus der Polizei-Affäre um die Prügelpolizisten Andreas P. und Stefan K. Die Maßnahme ist zugleich als eine schallende Ohrfeige für die zuständige „Abteilung 3“ der Staatsanwaltschaft zu werten. Nachdem Hardrath bereits am Freitag verfügt hatte, künftig über alle Verfahren gegen PolizistInnen in Kenntnis gesetzt zu werden, soll Generalstaatsanwalt Arno Weinert nun die Hintergründe des Skandals im Hause aufdecken. „Es ist jetzt in erster Linie eine Frage der Dienstaufsicht“, so Jürgen Weinert. „Ich halte es für möglich, daß der Fall noch weitere Kreise zieht.“

Am Donnerstag voriger Woche hatte die taz hamburg den Skandal um die beiden Polizeibeamten aufgedeckt, die am 15. Januar einen Senegalesen verprügelten, weil er eine Mütze mit dem Aufnäher „Gebt Nazis keine Chance!“ trug. Staatsanwältin Marion Zippel hatte das Verfahren gegen die beiden Beamten im Sommer unter Ausschluß der Öffentlichkeit per Strafbefehl (5400 Mark) abgewickelt hatte. Justizbehördensprecher Weinert gestern zur taz: „Wenn der Senator von dem Fall Kenntnis gehabt hätte, hätte er niemals mitgemacht, so ein Verfahren über einen Strafbefehl abzuwickeln.“

Staatsanwätin Marion Zippel gerät derweil immer stärker ins Zwielicht. Nach Informationen der taz waren die beiden Beamten, die sich angeblich auf einer privaten Zechtour befanden, doch im Dienst, als sie Dialle D. zusammenschlugen. Dessen Anwalt Puls: „Laut Ermittlungsakte haben die Polizeibeamten, die den Fall aufgenommen haben, selber wegen Körperverletzung im Amt ermittelt.“ Andreas P. und Stefan K. hatten nämlich gegenüber den beiden Bereitschaftspolizisten zunächst als Schutzbehauptung ausgesagt, der Senegalese habe ihnen „Stoff“ angeboten, woraufhin sie sich in den „Dienst versetzt“ hätten.

Diese Version bestätigt auch eine Taxifahrerin, die Zeugin der Prügelei war. Auf ihre Intervention hin hatte einer der Schläger sich als Polizist zu erkennen gegeben und dann den Dienstausweis gezogen. Puls: „Anhand der Akte gab es deutliche Hinweise auf eine Körperverletzung im Amt.“ Darauf steht als Mindeststrafe 3 Monate Gefängnis. Anwalt Puls, der inzwischen gegen Staatsanwältin Zippel Dienstaufsichtsbeschwerde gestellt hat: „All das hätte Frau Zippel sehen müssen. Warum hat sie nichts unternommen?“

Die GAL hat gestern wegen der „besonderen Bedeutung“ die Einsetzung eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses (PUA) gefordert, um aufzudecken, so GALier Manfred Mahr, „wer mit wem welche Absprachen getroffen“ habe, „um den Skandal zu vertuschen“. Die CDU kündigte an, den Fall und das „merkwürdige phlegmatische Verhalten des Innensenators“ zum Thema der nächsten aktuellen Stunde in der Bürgerschaft zu machen. Wenn dort „gemauert“ würde, so CDU-Rechtsexperte Karl Heinz Ehlers, sei der von der GAL geforderte PUA „allerdings unvermeidlich“

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