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Ein deutsches Trauma bald wieder vor Gericht

■ 22 Jahre nach Olympia-Attentat fordern Hinterbliebene Entschädigungsprozeß

Berlin (dpa/taz) – 22 Jahre nach dem Olympia-Attentat von München wollen die Angehörigen der Opfer 40 Millionen Dollar Schadenersatz vor Gericht einklagen. Die Münchner Anwaltskanzlei Christoph Rückel und Kollegen kündigte gestern an, eine entsprechende Klageschrift beim Münchner Landgericht einzureichen, nachdem vor zehn Tagen der Freistaat Bayern Entschädigungsansprüche abgelehnt hatte.

Die Klage richtet sich gegen die Bundesrepublik, den Freistaat Bayern und die Stadt München und wird Präzedenzcharakter haben. Nach Angaben von Jan Andrejtschitsch, einem der mit dem Fall befaßten Anwälte der Kanzlei, habe es noch niemals eine Zivilklage gegen politisch Verantwortliche nach einem Terroristeneinsatz in Deutschland gegeben. Auch die Höhe der Entschädigungssumme habe amerikanisches Niveau, erkläre sich aber durch die Vielzahl der Opfer und Unterhaltszahlungen über einen Zeitraum von 22 Jahren. Die Kanzlei vertritt gemeinsam mit dem Büro Pinchas Zeitzer in Tel Aviv 27 Angehörige von 10 der insgesamt 11 getöteten israelischen Sportler. Nach Meinung von Jan Andrejtschitsch sei der Polizeieinsatz „in Planung, Leitung und Durchführung ungeeignet gewesen, um das Leben der Geiseln zu retten“.

Bei dem Überfall arabischer Terroristen auf die israelische Mannschaft waren am Abend des 5. September 1972 im Olympischen Dorf und bei der versuchten Geiselbefreiung auf dem Flughafen Fürstenfeldbruck elf israelische Sportler, ein Polizist und fünf Terroristen getötet worden. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen den damaligen Bundesinnenminister Dietrich Genscher, den bayerischen Innenminister Bruno Merck und vor allem gegen den Münchner Polizeipräsidenten Manfred Schreiber, verantwortlich für den Einsatz der aus dem ganzen Bundesgebiet herangezogenen Sicherheitskräfte, wurden im Frühjahr 1973 eingestellt. Ein subjektives, das heißt strafrechtliches Fehlverhalten habe nicht vorgelegen, stellte damals die Staatsanwaltschaft fest.

Der Freistaat Bayern lehnte die Forderungen der Attentats-Hinterbliebenen mit der Begründung ab, daß ein „haftungsrelevantes Fehlverhalten“ nicht festzustellen sei. Der Polizeieinsatz sei mit dem Staat Israel abgestimmt gewesen. Sollte die Klage aber vor dem Landgericht verhandelt werden – und dazu wird es kommen, sagen die Anwälte –, müssen die Richter juristisches Neuland betreten. Zum ersten Mal werden dann Zivilrechtler darüber entscheiden, ob ein Polizeieinsatz „objektiv und in seiner Durchführung“ sinnvoll gewesen ist. Ein mögliches Fehlverhalten einzelner Polizisten stehe dabei nicht zur Debatte. aku

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