Unterm Strich

Gestern abend wurde ein Star geboren, und ein anderer meldete sich zurück. Letzterer zuerst: In der Berliner „Bar jeder Vernunft“ las Wiglaf Droste aus seinem neuen Buch, das soeben bei Nautilus erschienen ist. Es heißt „Sieger sehen anders aus“ und versammelt wieder Glossen, Predigten, Jeremiaden, kurze Prosa und Lyrik, die für den Tag geschrieben wurden, aber nichtsdestotrotz zu großen Teilen mindestens eine kleine Ewigkeit bleiben werden. Die Sachen sind auch was fürs einsame Lesen, aber unschlagbar, wenn Droste selbst sie vorträgt. Dringender Aufruf, Droste bei seinen meist recht ausgiebigen Lesereisen abzupassen! Eine kleine Warenprobe sei den kritischen Verbrauchern hier verabreicht:

„Was in Bad Kleinen wirklich geschah. Am 27. Juni 1993 auf dem Bahnhof von Bad Kleinen, Mecklenburg, erschießt der GSG-9-Beamte Michael Newrzella zunächst sich selbt. Tödlich verletzt fällt er zu Boden, erinnert sich aber im letzten Moment seiner Dienstpflicht, schleppt sich zu dem RAF-Mann Wolfgang Grams, der ein Stück den Bahnsteig hoch auf dem Rücken liegt, kniet sich auf ihn, liquidiert ihn mit einem Schuß in die Schläfe, schleppt sich wieder den Bahnsteig zurück, wirft mit letzter Kraft das tödliche Projektil in die Blumenbeete, gibt aus seiner Dienstwaffe noch gut 50 ungezielte Schüsse wild in die Gegend ab und legt sich mit einem nicht unzufriedenen ,Hahaha, bin gespannt, wie ihr aus der Nummer wieder rauskommt, hahaha!‘ zum Sterben.“

Der kommende Star, von dem oben die Rede war, ist der Berliner Liedermacher Funny van Dannen, der gestern den Abend nach der Droste-Lesung beschloß. Er sang wundervolle Weisen von jenem versunkenen Deutschland der Ära „Als Willy Brandt noch Kanzler war“ (da hatte Vater noch volles Haar), von jugendlichen Begegnungen mit einem „Unbekannten Pferd“ auf einer Wiese, von der heilenden Kraft des Aquarellierens und Tränen im Nana-Mouskouri-Konzert. Wann wird man Funny endlich auf Schallplatte hören können? Dringender Aufruf an die deutsche Musikindustrie: Handlungsbedarf! Die Leute waren hingerissen! Und sie hatten recht!

Der mit 20.000 Mark dotierte „Ernst Barlach Preis“ geht in diesem Jahr an die in Hamburg lebende Künstlerin Cathy Skene. Zur Begründung hieß es, die Künstlerin setze sich kritisch mit Themen wie Freizeit, Stadt und Umwelt auseinander und versuche mit ihrer Kunst neue Sichtweisen zu vermitteln. Die in Hongkong geborene Engländerin Skene hat an der Hochschule für Bildende Künste in Hamburg studiert und stellt Rauminstallationen und Collagen aus Texten und Fotos her. Neben der Verleihung wird im Ernst Barlach Museum eine Ausstellung mit 60 Werken der Künstlerin eröffnet, die bis zum 30. Oktober zu sehen ist. Öffnungzeiten: dienstags bis sonntags von 10.00 bis 12.00 und von 15.00 bis 18.00 Uhr.