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Trampelig woman

Julia Roberts beim „Chicago Globe“? Ein Porträt anläßlich des Filmstarts von „Nichts als Ärger“  ■ Von Birgit Glombitza

Sie hat ein Gesicht, das man sich leicht merken kann: dunkle Knopfaugen, spitze Nase, langes Kinn und einen Mund, der fast im Kreis grinsen kann. „Julia Roberts ist die Antwort auf all unsere Gebete“, schwärmte Hollywood-Regisseur Joel Schumacher. Dabei ist die Überirdische eine Schauspielerin fürs Grobe. Sie wiehert beim Lachen und geht wie ein Rugby-Spieler. Ist sie aufgeregt, zappeln ihre langen Glieder so lange, bis sich endlich jemand erbarmt und sie in die Arme schließt.

In dem nun startenden „Nichts als Ärger“ spielt die Roberts Sabrina Peterson, eine aufstrebende Jung-Reporterin beim Chicagoer Globe, die zu den verbissensten ihrer Zunft zählt. Ein Leben nach der Deadline gibt es für sie nicht. In Katastrophengebieten bewegt sie sich sicher wie in einem maßgeschneiderten Kostüm. In ihrer Privatsphäre scheint sie dagegen nie ganz heimisch zu werden. Verloren streunt sie durch die unbenutzte Küche, gelangweilt durch ihr aufgeräumtes Schlafzimmer. Als ein Zug bei einer Explosion entgleist, nimmt auch ihr Dasein als prüder Enthüllungsmaniac einen anderen Lauf. An der Unglücksstelle trifft sie auf Peter Brackett (Nick Nolte), der bei der Konkurrenz genügsam seiner eigenen Legende als rasender Reporter hinterherschreibt. Und fortan wird der eitle Platzhirsch im Chicagoer Blätterwald ihre Recherchefährten kreuzen. Indizien, die den Unfall mit einem Skandal um Milch und Gen- Technologie in Zusammenhang bringen können, liegen überall verstreut herum. Doch nur Peterson rafft mit sicherem Instinkt die richtigen zusammen und erhält so einen Vorsprung, dem Brackett und auch das Drehbuch nur noch hinterherhecheln können.

Ganz in der Tradition großer Screwball-Comedies zelebrieren die Antagonisten in „Nichts als Ärger“ die Wonnen der Unversöhnlichkeit. Doch während die kaum verheimlichten Vorbilder Katherine Hepburn und Spencer Tracy ihre Pflichtfehden so aufgeregt und herzhaft ausspielen, daß ihr Gerangel fließend die Choreographie eines ungestümen Liebestanzes annimmt, staksen Julia Roberts und Nick Nolte dermaßen lustlos durch ihre kleinen Streitereien, daß man froh ist, die anschließende Romanze nur dezent angedeutet erleben zu müssen.

Seit ihrer ersten großen Rolle als Vorstadtschickse in „Pizza, Pizza – Ein Stück vom Himmel“ (1988) und „Satisfaction“ (1988) mußte sie nicht mehr viel hinzulernen. Ihre gut kalkulierte Trampeligkeit, ihren naiven Leidenswillen und die ungebrochene Arglosigkeit in ihrem Mienenspiel suchte man in Filmen wie „Pretty Woman“ (1990) und „Entscheidung aus Liebe“ (1991) als Qualitäten einer schönen Wilden zu kultivieren. In der väterlichen Obhut eines Hotelmanagers, eines Millionärs oder eines Krebskranken lernt sie schnell Salat- und Dessertgabeln zu unterscheiden. Bald kann sie nicht nur mit Kreditkarten umgehen, Kunstkataloge lesen, sondern sich auch alleine einkleiden. Wiehern und Barfußlaufen durfte sie auch weiterhin und bereicherte damit die Welt der wohlhabenden Erwachsenen mit Ursprünglichkeit, Erdverbundenhheit und Lebensfreude. Schnell mit beiden Händen durch die Lockenmähne gewuselt, in Lackmini oder knappes Kostüm geschlüpft, und schon sind Julia Roberts Protagonistinnen fertig, um sich in die Gesellschaft der obersten zehntausend zu stöckeln.

Ihre Filme sind nicht die ersten und nicht die besten nach dem Pygmalion-Motiv einer unverschlüsselten Unterwerfungsphantasie, in der die Frau domestiziert und dafür mit gesellschaftlichem Status belohnt wird. Schicksalsschläge nimmt sie mit freundlichem Fatalismus, Prügel für schief aufgehängte Handtücher kassiert sie ohne Widerspruch („Der Feind in meinem Bett“). Sie gebiert auf Teufel komm raus Kinder, auch wenn es ihr als Shelby in „Magnolien aus Stahl“ erst an die Nieren und schließlich ans Leben geht.

Roberts Figuren sind triebökonomische Strateginnen. Sie halten sich nicht lange mit Lust und Wut auf, sondern ziehen aus, um glücklich zu werden. Haben Gutverdienende erst einmal ihren Körper oder ihre Pflegedienste gemietet, öffnen sie nicht nur ihre Brieftasche, sondern bald auch ihr Herz. „Hört nicht auf zu träumen“, ruft der fröhliche Neger auf dem Hollywood-Boulevard am Ende von „Pretty Woman“.

Julia Roberts ist längst die simple Verkörperung dieser Durchhalteparole für Phlegmatikerinnen geworden. Eine Restauratorin des amerikanischen Traums für treue Hausmädchen, die die Hoffnung nicht aufgeben sollen, als Diva bald den Vordereingang benutzen zu dürfen.

„Pretty Woman“ spielte weltweit 300 Millionen Dollar ein. In den nächsten Produktionen wuchs Roberts Gage auf elf Millionen und mehr, so daß sie Edel-Miminnen wie Jodie Foster, Michelle Pfeiffer und Sharon Stone (sechs bis neun Millionen) auf die Plätze verwies. Nicht nur in Amerika rissen sich die Illustrierten um das schöne Kind, hätschelten es, ihrem Image entsprechend, als eine der attraktivsten, aber am schlampigsten gekleideten Landsgenossinnen. Auch das Zeit-Magazin (Text: Jean McGuire, Fotos: John Newton) stimmte Verehrungsliturgien an. Und im Sommer 1990 wimmelte es in ganz Deutschland nur so von jungen, schlechtgekleideten Mädchen, die ihre Dauerwellen auf derselben Seite scheitelten wie ihr damals 22jähriges Vorbild aus dem kleinen Smyrna, Georgia.

Roberts, die Verfasserin zahlreicher Blumengedichte und eines Tagebuches („Die Entstehung des Wahnsinns“) hat nie eine Schauspielschule besucht. Herbert Ross, der Regisseur von „Magnolien aus Stahl“, empfahl ihr, an Kursen teilzunehmen, weil sie den „Subtext eines Films“ nicht begreife (Premiere). Doch die Aktrice („Ich bin nun mal eine Kamikaze-Schauspielerin“) beharrte auf ihrem „Spielinstinkt“ und ihrer Bestimmung auf der Leinwand, „just a girl“ (Entertainment Weekly) zu sein.

Dieser Bescheidenheit ist sie jedoch seit „Die Akte“ überdrüssig. Als Jurastudentin, Professoren- Geliebte und Polizisten-Freundin wollte sie endlich auspubertieren. Der Wechsel ins Charkterfach klappte aber nicht so recht. In „Die Akte“ etwa verwalten andere den von ihr enthüllten Skandal. Und in ihrem zweiten und jüngsten Emanzipationsversuch, „Nichts als Ärger“, schreibt sie als ehrgeizige Journalistin über einen Skandal, den sie ohne Nick Noltes Co-Recherche nicht komplett enthüllt, ohne seine Aufmerksamkeit gar nicht überlebt hätte.

Stets fungiert Julia Roberts nur als Ornament ihres eigenen Filmschicksals. Dieses Dilemma ist jedoch nicht neu. Bereits in „Der Feind in meinem Bett“ besaßen weder Drehbuch noch Regie (Joseph Rubens) den Anstand, der geschundenen Protagonistin nach der geglückten Flucht vor ihrem psychopathischen Ehemann ihre eigene Geschichte zurückzugeben. Roberts Feinde hinter der Kamera interessierten sich nicht für ihr Leben ohne Gatten, sondern allein für das Design einer bukolischen Idylle.

Julia Roberts muß fürs erste ein Phantom bleiben. Allein Robert Altman wußte, wie man diesem Elend der Hollywood-Prinzessin selbstironische Momente abtrotzen kann. In „The Player“ (1992) verfolgen Altmans eitle Gestalten eine diffuse Videosequenz, in der sich Julia Roberts in einer Gaskammer wundschreit, bis Bruce Willis sie rettet. „Dumm und besoffen“, wie sie selbst in Entertainment Weekly zugab, agiert sie demnächst an der Seite Tim Robbins in Altmans „Pret-à-Porter“. Und in Steven Frears „Mary Reilly“ wird sie als Hausmädchen Malkovitch den Tee servieren. Scheinbar weisen die neuesten Filme der jungen Diva wieder den Weg zum Hinterausgang.

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