„Eilend hin und zurück“

■ Vor 150 Jahren fuhr der erste Zug von Altona nach Kiel / Schneller und billiger - und sicherer - als die Kutsche

Es war ein ungeheures Ereignis, als sich die erste Eisenbahn von Schleswig und Holstein auf ihren Weg machte. Aus Altona in Richtung Kiel startend, hüllte sie am 18. September 1844 den neu erbauten Bahnhof und Hunderte Zuschauer in dichten Rauch.

Die Ausfahrt des Zuges stellte ein unbekannter Maler mit einer nicht zu enden scheinenden Reihe Waggons dar. Dieses und viele andere sehenswerte Exponate werden jetzt, anläßlich des 150jährigen Jubiläums Eisenbahn in Schleswig-Holstein, im Altonaer Museum ausgestellt.

Nur noch zweieinhalb Stunden benötigte die „König Christian VIII. Ostseebahn“ von Altona nach Kiel. Die Kutsche brauchte zwölf Stunden - wenn sie nicht steckenblieb oder ausgeraubt wurde. Plötzlich war die riesige Entfernung von 105 Kilometern praktisch gefahrlos und viel billiger zu überwinden: Zwei Mark fünfzig kostete eine Fahrkarte in der 3. Klasse, ein Viertel des Kutschenpreises.

Am Ziel angekommen, sahen die wohlhabenden Reisenden auf ihre Taschenuhren und stellten fest, daß sich die Zeit durch ihre rasante Reise verschoben haben mußte. In Kiel zeigte die Bahnhofsuhr ganz offiziell zwölf Minuten später an als die in Altona. Eine einheitliche Zeit mußte erst noch festgelegt werden, um den reibungslosen Ablauf des Eisenbahnbetriebes gewährleisten zu können. Für die Menschen bedeutete die Einführung, daß sie darauf angewiesen waren, sich an ganz genaue Abfahrtszeiten zu halten. Das Diktat der Zeit entstand, weil die Maschine nie stillstehen durfte.

Um den Verlauf der Eisenbahnstrecke zwischen Nord- und Ostsee war jahrelang gerungen worden. Für den dänischen König Christian VIII. war klar, daß der Startbahnhof seiner Eisenbahn Altona sein sollte. Altona war die südlichste Stadt Dänemarks am seetiefen Wasser und bot sich an, um Hamburg mit seinem starken Handelsplatz zu umgehen. Wegen der Nähe zu Kopenhagen wurde Kiel die erste Bahnhofsstadt an der Ostseeküste.

An der Stelle des heutigen neuen Rathauses von Altona endeten bis 1898 die Gleise und trennten Ottensen nach Norden hin ab. Mit Lasttieren wurden die auf der Elbe ankommenden Waren zu Anfang über eine schiefe Ebene hoch zu den Güterwagen gezogen, bis auch dazu Dampfmaschinen eingesetzt wurden.

Mit der Bahn war die wichtigste technische Voraussetzung für die Industrialisierung der landwirtschaftlich geprägten Gebiete Schleswig und Holstein gelegt. Die Eisenindustrie florierte, an den Haltepunkten siedelte sich neue Industrie an, und dem Handel waren die großen Transportprobleme genommen. „Eilend hin und zurück bringe dem Lande Glück“, so steht es auf der Erinnerungsmedaille zur Eröffnung der „König Christian VIII. Ostseebahn“. Sie brachte es, das finanzielle Glück, für ihn und alle Aktionäre: Das neue Verkehrsmittel erwies sich als Goldgrube.

Philipp Müller

Die Ausstellung „150 Jahre Eisenbahn in Schleswig-Holstein“ ist bis 15.1.95 im Altonaer Museum, Museumsstraße 23, zu besichtigen, Di. bis So., 10 bis 18 Uhr. Der Katalog mit 120 Seiten und 46 teils farbigen Abbildungen kostet 18 Mark. Im 2.Stock des Altonaer Rathauses ist eine Fotoausstellung „Altona und seine Eisenbahnen“ zu sehen. Der Eintritt ist frei.