Verharmlosen, abwiegeln, vernebeln

■ Die Senats-Stellungnahme zum Jahresbericht des Datenschutzbeauftragten schützt die Sicherheitsbehörden

Die Kritik des Datenschutzbeauftragten Hansjürgen Garstka an der Praxis der Sicherheitsbehörden verhallt ungehört. Diesen Eindruck vermittelt über weite Teile die schriftliche Stellungnahme des Senats zum Datenschutz-Jahresbericht 1993, die gestern abend im Abgeordnetenhaus zur Debatte stand. Insbesondere über das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) und die Berliner Polizei hält die Innenverwaltung ihre schützende Hand.

So hatte der Datenschutzbeauftragte die Erstellung von Personenlisten über Demonstrationsteilnehmer durch das LfV für unzulässig erklärt. Die Speicherung sei durch das Landesverfassungsschutzgesetz nur gerechtfertigt, wenn es „konkrete Anhaltspunkte für relevante verfassungsfeindliche Bestrebungen“ gebe. Statt dessen aber erfasse das Amt auch Personen, die sich lediglich an Veranstaltungen beteiligten, die von extremistisch eingestuften Gruppen organisiert werden. Dabei könne nicht ausgeschlossen werden, daß die Betroffenen keinerlei Verbindungen zu diesen Gruppierungen hätten. Die Antwort der Senats: Wenn das LfV sich derlei Informationen verschaffe, geschehe dies nicht, um Einzelpersonen, sondern um die „extremistischen Organisationen an sich“ zu beobachten.

Ähnlich argumentierte der Senat auch bei der Erfassung von 217 Olympiagegnern im Informationssystem Verbrechensbekämpfung (ISVB) im April vergangenen Jahres. Einlaufende Informationen über den Personenkreis hatten die Polizeibeamten an den Computern nach einem internen Vermerk der Behörde sofort an den Polizeilichen Staatsschutz weiterzuleiten. Nach Ansicht von Garstka wäre die Erfassung im ISVB-Computer, auf den fast jeder Beamte Zugriff gehabt hätte, nur durch eine genau abgegrenzte Rechtsvorschrift oder durch die Zustimmung der Betroffenen zulässig gewesen. Beides habe nicht vorgelegen.

Insofern stelle der Vorgang für die Betroffenen „einen erheblichen Eingriff in ihr Recht auf informationelle Selbstbestimmung“ dar. Der Senat bügelte die Kritik in seiner jetzigen Replik ab. Die Aufforderung zur Datenweitergabe an den Staatsschutz interpetierte die Innenverwaltung als „arbeitstechnischen Hinweis“, durch den keine personenbezogenen Recherchen möglich gewesen seien.

Mit Sorge war auch der Anstieg bei der Registrierung von Prostituierten in einer dafür eingerichteten Polizeikartei beobachtet worden. Nur wenn im Einzelfall konkrete Tatsachen vorliegen, die zur vorbeugenden Verbrechensbekämpfung geeignet seien, dürften solche Daten in die Kartei Zugang finden, meinte Garstka. Bei Stichproben mußten seine Mitarbeiter jedoch feststellen, daß 1993 die Zahl der Registrierungen gegenüber dem Vorjahr erheblich zugenommen hatte. Eine Entrümpelung nach den vorgeschriebenen engen Kriterien war seiner Einschätzung nach offenbar nicht erfolgt.

Der Senat zweifelte nun nicht nur die Zahlen des Datenschutzbeauftragten an, sondern interpretierte die Rechtslage auch anders: Gespeichert werden könne selbst dann, wenn aus der Tätigkeit der Prostituierten in „bestimmten, einschlägig bekannten Betrieben oder Bereichen“ eine „Prognose“ zur Aufklärung von Straftaten abgeleitet werden könne. Severin Weiland