Clinton: „Alle diplomatischen Mittel sind erschöpft“

■ US-Invasion in Haiti nur noch Frage von Tagen

Washington/Port-au-Prince (AP/taz)

Der Beginn der US-Invasion in Haiti ist nur noch eine Frage weniger Tage. Das sagte gestern US-Außenminister Warren Christopher nach der mit Spannung erwarteten Rede von Bill Clinton. Der Präsident hatte den haitianischen Machthabern ultimativ mit der Militärintervention gedroht, falls diese nicht sofort ihr Land verlassen. US-Verteidigungsminister William Perry sagte, militärisch sei die Operation selbst „eine Sache von Stunden, höchstens einem oder zwei Tagen“. Aus Regierungskreisen hieß es, der Angriff werde nicht vor Montag beginnen.

Clinton hatte in seiner Fernsehansprache versucht, die skeptische US-Öffentlichkeit von der Notwendigkeit einer Invasion in Haiti zu überzeugen. Das nationale Interesse der USA sei von der Lage in dem Karibikstaat betroffen, wenn unmittelbar vor der eigenen Küste grausame Menschenrechtsverletzungen begangen würden. Eine Massenflucht in Richtung USA sei nicht auszuschließen. Die USA wollten deshalb dem „Alptraum des Blutvergießens“ in Haiti ein Ende machen. Clinton versicherte, ein US-Einsatz werde begrenzt sein und klar umrissenen Zielen dienen, nämlich „der Vertreibung der Diktatoren aus der Macht und der Wiederherstellung der legitimen, demokratisch gewählten Regierung Haitis“. Er verwies auf Schätzungen, daß seit 1991 in Haiti 3.000 Menschen ermordet worden seien. „Cédras und seine bewaffneten Banditen haben eine Terrorherrschaft errichtet“, erklärte Clinton. „Kinder werden hingerichtet, Frauen vergewaltigt, Geistliche umgebracht. Je verzweifelter die Diktatoren wurden, desto brutaler sind die Gewalttaten geworden.“ Die UNO hat die USA und ihre Verbündeten ermächtigt, notfalls mit allen Mitteln die Demokratie wiederherzustellen.

Clinton sagte weiter, in den Bemühungen um die Rückkehr des vor drei Jahren vom Militär vertriebenen, demokratisch gewählten Präsidenten Jean-Bertrand Aristide seien „alle diplomatischen Mittel erschöpft“. An die haitianischen Militärführer gerichtet sagte er: „Ihre Zeit ist um! Gehen Sie jetzt, oder wir werden Sie zwangsweise aus der Macht entfernen!“ Der starke Mann Haitis, Raoul Cédras, lehnte das Ultimatum umgehend ab.

Auf beiden Seiten stehen die Kriegsvorbereitungen vor dem Abschluß. In der Karibik sind amerikanische Kriegsschiffe postiert. Clinton hat zudem die Einberufung von 1.600 Reservisten angeordnet, um die aus 20.000 Mann bestehende Invasionsstreitmacht zu verstärken.

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