: Stau und Stimmung
■ Blue Devils verlieren vor 18.000 Zuschauern das Euro-Football-Finale gegen Stockholm Von Clemens Gerlach
Am Sonnabend kurz vor 23 Uhr fiel den Spielern der Hamburg Blue Devils alle Last von ihren nassen Körpern. Ohne die monströsen Schutzpanzer wirkten die Footballer wie Männer, die gerade ein wichtiges Spiel verloren haben, aber keinesfalls wie Übermenschen. Mit 35:43 hatten die Hamburger im Volksparkstadion das Nachsehen im Finale der Football League of Europe (FLE) gegen die Stockholm Nordic Vikings gehabt. Eine Niederlage, die schmerzte.
Den Helm unter dem Arm wankten die Geschlagenen über das Spielfeld – drumherum die jubelnden Schweden – und manch einer konnte sich auch von den aufmunternd gemeinten Klapsen seiner Mitspieler nicht aufrichten lassen. Stefan Siebert hatte das Scheitern vor heimischer (Rekord)kulisse von 18.000 Zuschauern besonders mitgenommen. Auch eine halbe Stunde nach Spielschluß heulte der 110 Kilo schwere Hüne wie ein Schloßhund. Echte Gefühle eben.
Auch Boris Heimberger war nicht nach dem zumute, was er sich auf den Hinterkopf hatte rasieren lassen: Pride. Nein, stolz waren sie in diesem Moment wirklich nicht, aber das war auch nicht anders zu erwarten nach dem verlorenen Spiel und einer turbulenten Saison. Erst später begriffen die meisten, was sie geleistet hatten: Immerhin soviele Zuschauer zu einer Sportveranstaltung gelockt, wie dies sonst nur dem Fußball gelingt. „Darauf können wir bauen“, freute sich Devils-Pressesprecher Jens Stümpel und darüber, daß zum Finale um die deutsche Football-Meisterschaft in Düsseldorf nur 8.000 gekommen waren.
Doch Stümpel darf sich auf seinen Lorbeeren nicht ausruhen, dafür klappte zuviel beim FLE-Finale nicht. Was nützt eine Pregame-Show, wenn bis kurz vor Spielbeginn Tausende von Zuschauern noch im Stau stecken, weil nicht ausreichend Parkraum zur Verfügung steht? Was sollen Ordner, die selber nicht wissen, wo die Leute sitzen sollen? Das waren die Momente, in denen das Ganze nur ein teilweise schlecht organisierter Abklatsch des US-Super-Bowl war.
Aber so ist es zuweilen, wenn Traditionen fehlen, an die sich anknüpfen ließe. In Deutschland ist Football noch nicht mehr als ein Trend-Ding. Doch eine Wende ist in Sicht, sicherlich auch ein Verdienst der FLE. Trotz großer Probleme wurde die erste Saison regulär beendet. „Das war das Abschiedsspiel von Ronnie Cunningham und nicht der FLE,“ entzog Stümpel gleich neuen Gerüchten den Boden.
So wird es auch nächstes Jahr die Europaliga geben, was die Fans mit Freude hören. Aus ganz Deutschland waren sie gekommen und trotz des Regens bester Dinge. Es entwickelte sich sogar eine Art Stimmung, die beim Football eine andere ist als beim Fußball. Football-Fans wollen angeleitet werden: Ob Cheerleaders oder Animation vom Band – ein Vorturner war immer vonnöten. Keine echte Begeisterung, sondern falscher Zauber?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen