Einig Autoland

■ Kundgebung zur Öffnung der Oberbaumbrücke am 9. November geplant / Straßenbahn nun endgültig gekippt?

Die ruhigen Tage an der Oberbaumbrücke in Kreuzberg sind gezählt. Während die Senatsbauverwaltung mit Hochdruck daran arbeitet, die Straßenverbindung über die Spree am 9. November für den Autoverkehr zu öffnen, wollen Verkehrsinitiativen die feierliche Eröffnung auf ihre Art begehen.

Am Samstag fand auf Einladung der Brücken-Initiative ein Koordinationstreffen statt, an dem etwa dreißig Personen, darunter VertreterInnen von Greenpeace und Bündnis 90/Die Grünen teilnahmen. Die Versammlung beschloß, für den Tag der Eröffnung eine Kundgebung oder Demonstration zu organisieren.

Die Anwesenden waren sich einig, daß die Brücke zwischen Kreuzberg und Friedrichshain FußgängerInnen, RadfahrerInnen und dem öffentlichen Nahverkehr vorbehalten sei und nicht, wie der Senat es plant, als Teil des Innenstadtrings dem Autoverkehr dienen soll. Die Bauverwaltung will demgegenüber im November vier Spuren für bis zu 60.000 Kraftfahrzeuge täglich öffnen, während die U-Bahn zwischen Schlesischem Tor und Warschauer Straße erst im Herbst 1995 fahren wird. Zudem haben Vermutungen neue Nahrung erhalten, daß die ursprünglich vorgesehene Straßenbahn nicht mehr gebaut werden soll. AnwohnerInnen berichteten, die für die spätere Verlegung der Straßenbahnschienen notwendigen Fugen im Beton der Brücke würden von den Bauarbeitern mittlerweile wieder zugegossen. Aus der Bauverwaltung hieß es dazu, die Straßenbahn sei nach wie vor geplant, es hätten sich nur einige technische Änderungen ergeben. Einen konkreten Termin für den Bahnbau kann beim Senat jedoch niemand nennen.

Johannes Lietz, Brückenspezialist der Bauverwaltung, meint, den Termin 9. November mit „großer Sicherheit einhalten zu können“. Der Tag ist mit Bedacht gewählt: Am 9. November 1989 öffnete die DDR die Mauer, und einen Tag später standen Tausende am Grenzübergang Oberbaumbrücke, um Westberlin zu besuchen. Mit der Öffnung der Ost- West-Straßenverbindung zu diesem symbolträchtigen Datum könnte ein wenig Wiedervereinigungs-Glanz auf die heutige Politik fallen, hofft der Senat. Ein Mitglied der Brückeninitiative formulierte es am Samstag schärfer: „Mit dem historischen Datum soll die falsche Stadtplanung legitimiert werden.“ Hannes Koch