■ Normalzeit: „Sachthemen kritisch beleuchten“
Diese PDS-Standard-Politikformel liebe ich ganz besonders! Am vergangenen Freitag waren wir zu einer Hochzeitsfeier ins Kreuzberger Nobelrestaurant Exil eingeladen. Plötzlich tauchte der Autonomen-Dichter Droste auf, er schien Stammgast dort zu sein, und verputzte seelenruhig: Lammnüßchen, Victoriabarsch, Pommes Natur, Wildconsommé, Sorbetteller und eine französische Rohmilchkäseauswahl.
Von seinen Haiku-Honoraren konnte der das doch unmöglich zahlen ..., dachte ich noch, wurde dann aber von einem Toast auf die Hochzeit abgelenkt. Es war kein Wunsch für das Hochzeitspaar, das nur pro forma heiratete: Der Bräutigam, ein westchinesischer Wirtschaftswissenschaftler, war an sich mit einem univerabschiedeten Philosophen liiert.
Da aber diesem stockheterosexuellen Familienschutzbund namens Staat noch keine Homo- Kontrakte konvenieren, mußte für den ostasiatischen Intellektuellen eine norddeutsche Romanistin geradestehen. Sie tat es mit einem Gütertrennungs-Subvertrag und in großer Garderobe. Eine Fotografin hielt die markantesten Momente fest – fürs Hochzeitsalbum. Bezahlen tat all dies das Männerduo. Es war fast ein Remake des US-chinesischen Yuppiefilms „Das Hochzeitsbankett“. Nur war dort die Rolle der Deutschen von einer Chinesin besetzt, die keine US-Aufenthaltserlaubnis hatte. Außerdem endete es in einer Großfamilien- Party.
Hier im Exil war dagegen die Verwandtschaft ausgespart. Wir blieben unter uns und unterhielten uns über den geknackten Lotto-Jackpot – so recht geeignet für einen arbeitslosen Philosophen und einen noch beschäftigungslosen Wirtschaftswissenschaftler. Alle 14 Gäste (ich war eigentlich nur eingeladen worden, weil der Bräutigam nicht an einem 13er- Tisch tafeln wollte) bemühten sich tapfer, trotz des formalen Anlasses (Ehevertrag) das Weintrinken nicht zu vernachlässigen und dabei die unterschiedlichsten Sachthemen kritisch zu beleuchten: Nach dem Jackpot kamen wir auf Existenzgründungen zu sprechen. Vielleicht von den anwesenden zwei Chinesen und einer oberitalienischen Mendelerbsenzählerin inspiriert, versteiften wir uns dabei auf eine kälteresistente Reissorte, die man im Märkischen möglichst mehrwertheischend anbauen könnte. Sogar einen Namen samt Slogan fanden wir dafür: „Nordreis – die Charakternudel!“ Helmut Höge
Wird fortgesetzt
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