: Reform mit Abstrichen
■ ÖTV-Kongreß billigt Leistungs- Prämien nur mit knapper Mehrheit
Bremen (AFP) – Die ÖTV hat auf ihrem Reformkongreß gestern die Einführung der 35-Stunden- Woche bei vollem Lohnausgleich zum weiterhin vorrangigen Ziel ihrer Tarifpolitik erklärt. Mit nur 73 Stimmen Mehrheit beschlossen die über 1.000 Delegierten darüber hinaus, in künftigen Tarifrunden „leistungsbezogene Einkommensbestandteile“ zu fordern. Der ÖTV-Tarifexperte Peter Blechschmidt begründete die Reformforderung damit, daß das bisherige Vergütungssystem „zu starr und zuwenig motivierend“ für die Mitarbeiter sei. Beschlossen wurde auch die Forderung nach Arbeitszeitkonten, auf denen Beschäftigte Mehrarbeit, Überstunden und Zeitzuschläge ansammeln können. Den Vorschlag der ÖTV-Spitze, wonach Erschwernis- und Schichtzulagen durch zusätzliche Freizeit abgegolten werden können sollen, lehnte der Kongreß ab.
Voraussetzung für alle Tarifreformen soll nach ÖTV-Willen die Schaffung eines einheitlichen Tarifsystems für Arbeiter und Angestellte sein. Nach Einschätzung von ÖTV-Sprecher Thomas Wunder wird die Umsetzung der Reform deswegen noch einige Jahre dauern, weil die Arbeitgeber sich als „Modernisierungsblockierer“ erweisen und diese Voraussetzung verweigern würden. Für die Leistungsprämien, die als „Sahnehäubchen“ auf die Grundvergütung gezahlt werden sollten, müßten zudem noch Kriterien zur Leistungsbeurteilung erarbeitet werden. Mit der Einführung von Arbeitszeitkonten soll den Beschäftigten nach dem Leitantrag des ÖTV-Vorstands mehr „Zeitsouveränität“ ermöglicht werden.
Die Delegierten einigten sich zudem darauf, als erste Gewerkschaft zu versuchen, den Umweltschutz in das Tarifrecht einzuführen. Durch tarifvertragliche Regelungen soll nach Vorstellung der ÖTV in den Betrieben ökologisches Wirtschaften entwickelt werden, über das jeweils ein Umweltbeauftragter wachen soll.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen