: Black & white – Geschichten aus dem neuen Südafrika Von Johannes Dieterich
Inzwischen erkundige ich mich vor jeder Rückkehr in die neue Heimat, ob es das Ziel noch gibt. Ein Ticket nach Johannesburg, Jan- Smuts-Airport, Südafrika könnte sich nämlich leicht als Flug ins Jenseits erweisen, denn Südafrika, das nach dem Burengeneral Jan Smuts benannte Rollfeld und die Goldgräberstadt Johannesburg existieren höchstens noch auf Widerruf. Schon heute nachmittag könnte die Bestellung lauten müssen: „Return ticket to Egoli, Oliver-Tambo-Airport, Asania.“ Und wer den neuen Namen seiner alten Heimat noch nicht kennt, der findet nie mehr heim.
Offensichtlich haben die Gottesfürchtigen am Kap der Guten Hoffnung das Wort des Herrn ernst genommen, wonach kein neuer Wein in alte Schläuche darf. Frischgewählte Volksvertreter gruppieren sich gegenwärtig zu Hunderten in offiziellen Umbenennungsgremien, deren Vorsitzender in einem Fall Benny Alexander hieß. Der Generalsekretär des Panafrikanischen Kongresses sollte sich unter anderem um einen griffigeren Titel für die neugeschaffene Provinz „Pretoria-Witwatersrand-Vereeniging“ umsehen, war aber von der Flut der eingesandten Anregungen (von „Goldwana“ bis „Aftswaneng“) dermaßen überwältigt, daß er sich erst mal seiner eigenen Person annahm. Auf einer eigens einberufenen Pressekonferenz gab Ex- Benny seine Umbenennung in „Khoisan X“ bekannt. „Khoi“ und „San“ nennen sich die ursprünglichen Buschmänner/-frauen von Südafrika, während das X nicht etwa als Malcolm-X-Plagiat, sondern als „Interimsnachname“ verstanden werden soll.
Nelson Rohlihlahla Mandela fühlt sich in seinem Namen momentan noch wohl. Doch seine Residenz in Pretoria soll bald von „Libertas“ in „Mahlamb'andlovu“ (Shangaan für „Dämmerung einer neuen Epoche“) umgetauft werden; wobei es Pretoria selbst auch nicht mehr lange geben wird: „Melodi“ (die Pfeife) liegt als Vorschlag vor. Bloemfontein wird zu Mangaung, Johannesburg zu Egoli und Kapstadt zu Ntab'etafile – nur Soweto, das so poetisch klingende SOuth WEstern TOwnship, bleibt tabu in alle Ewigkeit.
Am ärgsten trifft's den unglückseligen Verwoerd. Einst hatte man seinen Namen übers ganze Land verteilt. Ob Verwoerdburg, der H.-F.-Verwoerd-Flughafen Port Elizabeth oder eine Hendrik-Verwoerd-Allee in jedem Kaff: an ihnen machte sich der Umbenennungseifer der neuen Sprachgewaltigen zuallererst zu schaffen. Jüngst wurde der Vater der Apartheid in Bloemfontein sogar vom Sockel geholt – Jugendliche tanzten dem Rassentrenner anschließend auf dem Bronzebauch herum. In alle Winkel ist die Reformation der Namensgebung allerdings noch nicht gedrungen. Die südafrikanische Polizei lud kürzlich einige Journalisten in eines ihrer abgelegenen Ausbildungslager ein, um ihnen vorzuführen, wie weit sich die einstige Burenmacht dem veränderten Zeitgeist bereits angenähert hat. Die Pressefritzen wurden mit einer bisher völlig unbekannten Höflichkeit bedient, verwöhnt und schließlich noch zu einer Wild-Safari eingeladen, zu der auch schon ein Jeep bereitstand. Auf der Kühlerhaube des grün getarnten Geländewagens stand in leuchtend roten Lettern noch sein Name: er hieß ganz schlicht und einfach Hitler.
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